Mit gerade einmal 22 Jahren hebt die Ostschweizerin Margaret Fusbahn am 11. April 1930 zu einem Rekordflug ab: Mit ihrem Leichtflugzeug steigt sie bis auf 4614 Meter auf und überbietet damit den bestehenden internationalen Höhenrekord um beinahe 600 Meter.
«Margaret Fusbahn bewies damit sportlichen Ehrgeiz. Wie viele Fliegerinnen damals war sie eine sportbegeisterte Frau», sagt Barbara Waibel. Sie arbeitet als Historikerin im Archiv des Zeppelinmuseums in Friedrichshafen und hat sich intensiv mit der Geschichte der frühen Pilotinnen beschäftigt.
Schnurstracks zum nächstgelegenen Flugplatz
Margaret Fusbahns Höhenrekord fällt in die Blütezeit der Sportfliegerei: Ab der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre boomen Flugshows und Geschicklichkeitswettbewerbe. Pilotinnen und Piloten müssen dabei Postsäcke punktgenau abwerfen oder mit ihren Flugzeugen möglichst exakt landen. Margaret Fusbahn ist einige Jahre lange ganz vorne mit dabei – und beweist sich damit in einer absoluten Männerdomäne.
Pilotinnen der ersten Stunde
Die zierliche Frau mit den blonden Locken kommt als Margaret Billwiller 1907 in St. Gallen zur Welt und wächst in einer wohlhabenden Familie auf. Mit 20 Jahren heiratet sie den Ingenieur Heinz-Werner Fusbahn aus Stuttgart und zieht für ein paar Jahre nach Deutschland.
An einem Frühlingstag 1928 ist sie mit dem Auto unterwegs von der Ostschweiz Richtung Heidelberg. Da fliegt ein Motorflugzeug über sie hinweg – woraufhin sie angeblich schnurstracks zum nächst gelegenen Flugplatz fährt: nach Böblingen nahe Stuttgart.
Frauen waren beste Reklame
Dort herrscht Ende der 1920er-Jahre ein erstaunlich reger Flugbetrieb. Denn eigentlich ist die Fliegerei in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg weitgehend verboten: zu gross die Angst der Alliierten, dass Deutschland erneut eine Luftwaffe aufbaut
Wenn Frauen so ein Flugzeug handhaben können, dann war klar: Jeder kann es.
Doch der Ingenieur Hanns Klemm tüftelt in Böblingen an Segelflugzeugen, die er mit Motorradmotoren ausstattet. Er erfindet ein schwachmotoriges, für militärische Zwecke ungeeignetes Leichtflugzeug. Dieses eignet sich bestens für die Sportfliegerei, die wieder aufkommt.
Den Frauen mit Flugambitionen weht auf vielen Flugplätzen ein rauher Wind entgegen. «Die Piloten fürchteten, die Frauen würden ihnen den Nimbus wegnehmen, würden ihre Leistungen schmälern», sagt Barbara Waibel.
Hanns Klemm waren die Flugschülerinnen wie Margaret Fusbahn hingegen willkommen: Frauen, die mit Klemm-Flugzeugen abhoben, seien für ihn beste Reklame gewesen, so Waibel. «Wenn Frauen so ein Flugzeug handhaben können, dann war klar: Jeder kann es.»
Nach der Höhe die Weite
Margaret Fusbahn und ihr Mann werden bekannt als das fliegende Ehepaar. Sie unternehmen immer weitere Flüge mit ihrem kleinen Klemm-Flugzeug. 1932 fliegen sie ein erstes Mal nach Äthiopien und sind tief beeindruckt.
Heinz-Werner Fusbahn unternimmt fortan fast jährlich eine Flugreise nach Afrika – Margaret Fusbahn hingegen tritt ab 1934 nicht mehr als Pilotin in Erscheinung.
Fliegerei wird militarisiert
Auch viele andere Pilotinnen geben die Fliegerei ab Mitte der 1930er-Jahre auf, sagt die Historikerin Barbara Waibel. «Die Fliegerei wird zunehmend militarisiert, und es passiert dasselbe wie vor dem Ersten Weltkrieg: Die Frauen werden aus der Fliegerei gedrängt.»
Und das für lange Zeit: Erst in den 1980er-Jahren werden die ersten Frauen in Europa als Linienpilotinnen angestellt.
Revolver, Jagdgewehr und Schnaps
Margaret Fusbahn unternimmt 1937 noch einmal eine Afrikareise – diesmal im Auto, gemeinsam mit einer Ostschweizer Freundin. Die beiden Frauen packen je einen Revolver, ein Jagdgewehr und zwei Flaschen Schnaps gegen Erkrankungen ins Gepäck – und schaffen es wohlbehalten bis nach Kamerun. Doch als Margaret Fusbahn zurück nach Basel kommt, liegt ihre Ehe in Scherben.
Sie lässt sich scheiden und meldet sich in Basel ab. Ihr Zielort: Afrika. In der portugiesischen Kolonie Angola heiratet sie wenige Monate später und bringt eine Tochter zur Welt.
Dann verliert sich ihre Spur. In den Akten ihres Bürgerorts, der Stadt St. Gallen, steht lediglich, dass sie 2001 fast 94-jährig in Portugal stirbt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 5.8.2017, 12.40 Uhr