Die hohe Luftverschmutzung bereitete den Denkmalpflegenden in den 1970er- und 1980er-Jahren besonders grosses Kopfzerbrechen. Sie mussten mit ansehen, wie die Denkmäler aus Sandstein vor ihren Augen zerbröselten.
Im Schweizer Mittelland sind viele historische Dorf- und Stadtzentren aus Sandstein gebaut. Der weiche Baustoff reagiert empfindlich auf Witterung. Aber auch auf schwefelhaltige Abgase, die zu saurem Regen führen. Und die Konzentrationen dieser Schadstoffe in der Luft erreichten Ende der 1980er-Jahre einen vorläufigen Höhepunkt.
Saurer Regen, weicher Sandstein
Gerade in der Stadt Bern führte das an den Sandsteingebäuden zu schwerwiegenden Schäden. Denn der Berner Sandstein aus dem nahen Gurten-Steinbruch ist besonders weich.
So liessen sich die aufwändig bearbeiteten Figuren im Eingangsportal des Berner Münsters nur noch auf eine Art und Weise retten: die Denkmalpfleger brachten sie ins historische Museum und ersetzten die Originale durch Duplikate.
Wundermittel, vermeintlich
Doch die Fassaden anderer prächtiger Berner Gebäude – Bundeshaus, Stadttheater, Heiliggeistkirche, Bundesarchiv – blieben der Witterung und der verschmutzten Luft weiter ausgesetzt.
Da entdeckte die bauchemische Industrie eine Marktlücke. Sie entwickelte verschiedene Mittel, die den witterungsanfälligen Sandstein schützen sollten. Besonders vielversprechend schienen dabei spezielle Anstriche, die den Sandstein fester oder gar wasserabweisend machen sollten.
Bernhard Furrer, langjähriger Denkmalpfleger der Stadt Bern, erinnert sich: «Man dachte, jetzt hat man’s. Das sind die Wundermittel.» In der Folge wurden ganze Fassaden mit solchen imprägnierenden Mitteln getränkt.
Böses Erwachen
Nun folgt für manch ein behandeltes Gebäude ein böses Erwachen: die Imprägnierungen hatten ihr Versprechen nicht gehalten.
Das Regenwasser hatte doch einen Weg durch die vermeintlich wasserabweisenden äussersten Schichten gefunden und die Sandsteinfassaden hinterspült.
Als Folge davon schälen sich die historischen Gebäude und verlieren dabei ihren wertvollsten Teil: die kunstvoll behauenen Oberflächen.
Steinmetze und Steinmetzinnen versuchen heute diese abgelösten Steinschichten zu retten und wieder anzukleben. Gelingt das nicht, müssen sie die losen Schichten abschlagen und versuchen, die Steinhauerarbeiten mit Mörtel nachzumodellieren.
Sparen an der Forschung
Woher dieses Vertrauen in die Chemie? Schliesslich handelt es sich bei Denkmälern um historische Zeugnisse von besonderem Wert, die unter Schutz stehen. Die Suche nach Antworten zeigt: praxisnahe Forschung an historischen Gebäuden wurde vor zehn Jahren empfindlich gekürzt, ein darauf spezialisiertes Expertenzentrum ersatzlos geschlossen.
Die bauchemische Industrie hingegen ist gesetzlich nicht verpflichtet, ihre Mittel genau zu deklarieren oder auf Langzeitwirkungen zu untersuchen. Denn die Garantiedauer für Bauarbeiten endet in aller Regel nach fünf Jahren.
Hilfe zur Selbsthilfe
In der Berner Münsterbauhütte lassen die Handwerkerinnen und Handwerker heute möglichst die Finger von bauchemischen Mitteln. Doch vielen anderen, national weniger bekannten Sandsteindenkmälern droht auch heute noch, dass sie kaputt-saniert werden; aus Zeitdruck, Geldnot oder mangelndem Fachwissen.
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Möglicherweise verbessert sich nun aber die wissenschaftliche Grundlage. An der ETH Zürich wurde vor wenigen Monaten die Professur für Denkmalpflege und Bauforschung neu besetzt. Dort soll wieder ein Labor für angewandte Bauforschung entstehen.