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Mensch Schon die Babylonier errechneten Jupiters Bahn mit Geometrie

Die Babylonier betrieben als eine der ersten Kulturen Astronomie. Nun wird klar, dass sie dafür eine abstrakte Form von Geometrie nutzten. Bisher dachte man, dass diese Geometrie erst 1700 Jahre später – im europäischen Mittelalter – entwickelt wurde.

Die Babylonier waren geradezu besessene Sterndeuter. Über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende ritzten sie ihre Aufzeichnungen in Tontafeln.

Diese Tontafeln sind heute teilweise noch erhalten. Mathieu Ossendrijver, Wissenschaftshistoriker an der Berliner Humboldt Universität, stiess im British Museum in London auf eine Tafel, welche die Bewegung des Planeten Jupiters beschreibt. Allerdings nicht wie auf anderen Tafeln als reine Rechnung, sondern als sehr komplexe, geometrische Herleitung.

Einzigartig in der Antike

«Es sind Trapezformen, aber sie befinden sich nicht in einem normalen Raum, sondern in einem abstrakten mathematischen Raum», sagt Ossendrijver. Diese Form der Geometrie hat man bisher für die Antike nirgendwo sonst nachweisen können – auch nicht bei den alten Griechen, die uns immerhin so wichtige geometrische Erkenntnisse wie den Satz des Pythagoras vermacht haben.

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Faszinierende Mathe: Der Satz des Pythagoras
Aus Einstein vom 26.08.2015.
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Die Geometrie der Griechen habe stets reale Formen im Raum vor Augen gehabt. So haben sie die Bahn der Planeten etwa als Kreise beschrieben, sagt Ossendrijver.

Die geometrischen Formen der Babylonier hingegen ähneln jenen Kurven, die moderne Naturwissenschaftler heute noch herstellen, um eine Grösse – zum Beispiel die Geschwindigkeit – gegenüber der Zeit auf einer x-y-Achse aufzuzeichnen. Genauso machten es die Babylonier mit der Geschwindigkeit des Planeten Jupiters, um dann aus der Trapez-Fläche unter der Kurve die Wegstrecke zu berechnen, die Jupiter zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgelegt hat.

Geschichte der Mathematik umschreiben

Eine abstrakte Form von Geometrie, von der man bisher dachte, dass sie zum ersten Mal im europäischen Mittelalter entwickelt worden sei. «So steht es in allen Geschichtsbüchern der Mathematik und Physik», sagt Ossendrijver. Nun muss die Erfindung dieser abstrakten Geometrie also um ganze 1700 Jahre zurückdatiert werden.

Trapezform
Legende: Die Trapezform, die auf den Tontafeln beschrieben wird, zeigt die Bewegung des Planeten Jupiter Mathieu Ossendrijver

Allerdings ging dieses Wissen der Babylonier verloren, vermutet Mathieu Ossendrijver. Anders als viele ihrer sonstigen astronomischen und mathematischen Erkenntnisse, die von den Gelehrten im alten Griechenland übernommen und weiterentwickelt wurden.

Wichtige Zeugnisse der Menschheitsgeschichte

Für einen Wissenschaftshistoriker wie ihn sei es zentral, sich mit der babylonischen Wissenschaft zu befassen, sagt Ossendrijver. «Das ist wichtig, um zu verstehen, wo unsere Wissenschaft herkommt, und es verhilft einem zu einer anderen Perspektive als jener, dass alles aus Europa kommt.»

Gerade heute sei es wichtig, die enorme Bedeutung der Hochkulturen aus dem Zweistromland herauszustreichen: «Denn der Irak – das Land, wo diese Tontafeln herkommen – befindet sich gerade in einer sehr schwierigen Situation. Die dortigen Antiquitäten werden auf furchtbare Art und Weise bedroht.» Mit ihren Zerstörungen im heutigen Irak vernichtet die Terrororganisation IS wichtige Zeugnisse der Menschheitsgeschichte.

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