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Mensch Studie beweist: Mitgefühl für Fremde ist lernbar

Mitgefühl haben wir normalerweise eher mit Menschen, die wir gerne haben. Eine Studie der Universität Zürich belegt nun, dass Empathie gegenüber Menschen, die wir nicht mögen gelernt werden kann – durch positive Erfahrung. Sozialpsychologin Grit Hein erklärt, wie sie bei der Studie vorgegangen ist.

SRF: Grit Hein, wie konnten Sie nachweisen, dass Mitgefühl lernbar ist?

Grit Hein: Wir hatten im Labor zwei Gruppen. Eine, zu der sich die Probanden zugehörig fühlten und eine andere Gruppe, die sie nachweislich nicht leiden konnten. Die Probanden erwarteten schmerzhafte Schocks am Handrücken – also etwas, das unangenehm ist und das man nicht unbedingt wiederholt erleben möchte. Die Testpersonen machten nun die Erfahrung, dass ein Mitglied der fremden Gruppe, also der Gruppe, die sie überhaupt nicht mochten, Geld ausgab, um sie vor diesem Schmerz zu retten. Die Probanden einer Kontrollgruppe machten dieselbe Erfahrung mit einem Mitglied ihrer eigenen Gruppe.

Wie haben Sie die Reaktion getestet?

Vor und nach dieser Erfahrung haben wir die Hirnaktivität der Probanden erfasst: Wie reagierten sie neuronal auf den Schmerz eines Mitgliedes der eigenen oder der fremden Gruppe.

Damit konnten Sie nachweisen, dass nach dieser Erfahrung die Empathie für das Mitglied der fremden Gruppe angestiegen war?

Grit Hein

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In Deutschland geboren, studierte Hein in Berlin und New York Psychologie. Die Neuropsychologin forscht seit Jahren zum Thema Mitgefühl – unter anderem an der Universität Zürich.

Richtig. Vor dieser Erfahrung zeigten die Probanden mehr Empathie für das Mitglied der eigenen Gruppe als für das Mitglied der fremden Gruppe. Nach diesen wenigen positiven Erfahrungen, stieg jedoch die Empathie für das Mitglied der Fremdgruppe an und die Aktivität der dazugehörigen Hirnreaktionen nahm zu.

Interessanterweise konnten wir auch zeigen, dass sich diese Verstärkung von Empathie auch auf andere Mitglieder der fremden Gruppe übertragen hat. Also die positive Erfahrung mit einem Fremden führte zur verstärkten Empathie auch für andere Fremde.

Ihre Studie hat ergeben, dass es für diese Erfahrung nicht hundert positive Kontakte braucht, sondern dass bereits eine relativ kleine Zahl – beispielsweise fünf positive Kontakte – ausreicht. Wie erklären sie sich das?

Ich denke, das steht damit im Zusammenhang, dass dieser positive Kontakt extrem unerwartet war. Wenn wir starke Vorurteile gegenüber einer Person haben und wir dann eine Erfahrung mit dieser Person machen, die unserer negativen Erwartung komplett widerspricht, dann empfinden wir das ja als extrem überraschend. Und aus vorangegangenen Studien wissen wir, dass solche überraschenden Erfahrungen ein sehr effizientes Lernen hervorrufen. Genau das ist hier passiert.

Denken sie, dass sich dieses Resultat aus dem Labor auf den Alltag übertragen lassen kann?

Diese Frage konnten wir im Rahmen unserer Studie nicht beantworten, weil wir nicht untersuchen konnten, was unsere Probanden später von den Fremden denken oder wie sie sich ihnen gegenüber verhalten würden. Ich glaube aber, es besteht schon die Hoffnung, dass das so sein sollte. Wir wissen aus anderen Studien mit ähnlichen neuronalen Lernsignalen, dass solche starken Lerneffekte durchaus langanhaltend sein können.

Sie forschen ja nun schon seit vielen Jahren über Mitgefühl. Warum ist Empathie ihr Forschungsthema?

Wir wissen aus eigenem Erleben und auch aus wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass Empathie die Grundlage für positive, soziale Interaktion ist. Ich denke, eine positive Grundeinstellung gegenüber der anderen Person ist der Schlüssel zur friedvollen und guten Lösung vieler Probleme – gerade auch in unserer aktuellen Situation.

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