Zum Inhalt springen

Tätersuche mittels DNA Neues Gen-Werkzeug der Strafverfolgung: ein Tool für wenige Fälle

Die DNA-Phänotypisierung soll bei der Ermittlung von schweren Verbrechen als eine Art wissenschaftliche Zeugenaussage helfen, wenn die Spur zum Täter fehlt. Ab Sommer ist die neue Gen-Methode in der Schweiz zugelassen.

Etwas Blut, Spucke oder Sperma vom Tatort kann viel über ein Verbrechen aussagen. Auch welche Augenfarbe die Täterin oder der Täter wahrscheinlich hat. Die Wissenschaft jagt dem Phantombild hinterher, in der Hoffnung, anhand von Genmaterial, das Äussere von gesuchten Verbrecherinnen und Verbrechern zu bestimmen.

Was Sie über die neue DNA-Methode wissen sollten

Box aufklappen Box zuklappen

Noch ist die sogenannte DNA-Phänotypisierung ein Stück weit davon entfernt davon, im Labor Gesichter zu zeichnen für eine Fahndung mit Phantombildern. Wie das Gesicht aussieht, hängt von diversen Genvariationen ab, das macht die Bestimmung komplex.

Aktuell soll das Werkzeug vor allem helfen, den Kreis von Verdächtigen einzugrenzen. Ab diesem Sommer dürfen Schweizer Strafbehörden die Methode einsetzen, wenn sie bei schweren Delikten wie Vergewaltigung oder Mord nicht weiterkommen. Weil der Aufwand sehr gross ist, werden voraussichtlich nur wenige Fälle infrage kommen. Im europäischen Ausland, unter anderem den Niederlanden, Deutschland oder Frankreich, setzen Ermittler:innen die DNA-Phänotypisierung bereits ein.

Kritische Stimmen warnen vor überhöhten Erwartungen an die Methode und fürchten, dass durch die Bestimmung der Herkunft, Rassismus und Vorurteile gegenüber Minderheiten geschürt werden.

Unerreicht: das Phantombild

«Das genetische Phantombild ist noch nicht spruchreif, aber wir haben mehr Details, die man zum Bild hinzufügen kann», sagt Cordula Haas. Sie ist Forschungsleiterin für Forensische Genetik am Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich.

Im Vergleich zu bisherigen Gen-Analysen ist die DNA-Phänotypisierung viel aufwändiger: «Allein auf 41 Marker schauen wir für die Augen-, Haar- und Hautfarbe», sagt Haas. Molekularbiologinnen wie sie untersuchen im Labor über 300 Marker und damit hunderte Stellen im Erbgut, die etwas über das Äussere aussagen.

Phänotypisierung ist aufwändig

Das braucht Geduld. Die Fachleute lösen die DNA aus der Spur, lesen den genetischen Code ab und suchen die Stellen für äusserlich sichtbare Merkmale. Zuletzt durchlaufen die Daten ein statistisches Modell, das auf Tausenden untersuchten Proben basiert. So berechnet das Team Vorhersagen für Augen-, Haar- und Hautfarbe, Alter und Herkunft der Probe – was der Polizei in den Ermittlungen helfen soll.

Daran stören sich Kritikerinnen und Kritiker, weil nur Wahrscheinlichkeiten berechnet und keine Aussagen gemacht werden können. Sie warnen vor überhöhten Erwartungen. Molekularbiologin Haas hält dem entgegen, dass die Ergebnisse verlässliche Werte aufwiesen. Wie das Resultat zu interpretieren sei, diskutieren die Spezialisten im Labor gemeinsam. Vergleichen kann man die Methode mit einer Zeugenaussage, die nicht subjektiv ist, sondern wissenschaftlich abgesichert.

Altern macht der Methode Mühe

Die Komplexität des Körpers bringt die Methode aber auch an ihre Grenzen. Bei braunhaarigen Erwachsenen, die als Kind blond waren, zeigt die Analyse hohe Werte für helle Haare an. «Wir kennen die Gene noch nicht, die ausmachen, dass man die Haarfarbe wechselt», sagt Haas. Auch graue Haare kann die Methode nicht detektieren.

Und weil Menschen unterschiedlich altern, lässt sich auch das Alter schwer bestimmen. Die Forschenden lesen das biologische Alter ab. Im Ergebnis können die Resultate einige Jahre abweichen, gerade bei über 60-Jährigen. Denn wie junggeblieben man ist, beeinflussen nicht nur die Gene, sondern der Lebensstil.

Ein Tool für wenige Fälle

Für die DNA-Phänotypisierung werden die Maschinen an der Rechtsmedizin selten zum Einsatz kommen. Die Staatsanwaltschaft Zürich geht davon aus, dass wohl nur bei einer Handvoll unaufgeklärten Verbrechen, die Ermittlung wieder aufgenommen werden wird. Unter anderem den «Fall Emmen» könnte die Luzerner Polizei öffnen, um den Täter aufzuspüren.

Der Fall «Emmen»

Box aufklappen Box zuklappen

Im Juli 2015 wird in Emmen eine junge Frau von einem unbekannten Mann vom Velo gerissen und vergewaltigt. Die damals 26-jährige Frau ist seit dem Vorfall gelähmt.

Vom Täter fehlt jede Spur, trotz grossem Aufwand der Ermittlungsbehörden: Sie hatten die DNA des möglichen Täters mit denen von knapp 400 Männern verglichen und fast 2000 Handydaten ausgewertet, um herauszufinden, wer an jenem Tag in der Nähe des Tatorts war. Ende 2018 hat die Luzerner Strafverfolgungsbehörde den Fall auf Eis gelegt.

Um mehr aus der Täter-DNA herauslesen zu können, legte der verstorbene Luzerner Nationalrat Albert Vitali Ende 2015 den entsprechenden Vorstoss ein, um das DNA-Profil-Gesetz zu ändern. Die Ermittlungen könnten nun wieder aufgenommen werden, um dem Täter mittels DNA-Phänotypisierung auf die Spur zu kommen. Die Staatsanwaltschaft wollte dies auf Anfrage nicht bestätigen, sondern erst die Einführung des Ermittlungstools abwarten.

Die Methode wird erstmal nur ein weiteres Tool von Ermittelnden sein, wichtiger bleibt die klassische Gen-Analyse. «Den Beweis, dass eine Spur mit einer Person zusammenpasst, wird man weiterhin mit DNA-Profilen machen», sagt Molekularbiologin Cordula Haas: «Dafür braucht man heute nur noch 25 bis 50 Zellen und es ist eindeutig zuzuordnen.» Denn jede und jeder hat einen anderen genetischen Bauplan und damit ein einzigartiges Profil.

SRF 1, Einstein, 02.02.2023, 21:05 Uhr

Meistgelesene Artikel