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Tauchen im Polarmeer Auf der Suche nach Wracks in tödlicher Dunkelheit

Das arktische Meer ist ein Schiffsfriedhof. Aber wer ihn besichtigen will, muss sich warm anziehen.

Auf dem Grund des Polarmeeres liegen viele Wracks aus den letzten Jahrhunderten – und mit ihnen viele Geheimnisse, die Archäologen gerne ergründen würden.

Doch Unterwasserarchäologie in arktischen Gewässern ist gefährlich. Auf der Suche nach alten Schiffswracks vertrauen marine Archäologen daher auch auf autonome Roboter und hypersensible Sensortechnik.

Unterwasserarchäologe Øyvind Ødegård spricht über seine Arbeit unter Polarbedingungen.

Øyvind Ødegård

Unterwasserarchäologe

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Ødegård ist einer der renommiertesten marinen Archäologen und arbeitet an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegen in Trondheim.

SRF: Im Moment ist die beste Zeit, um im nördlichen Polarmeer nach Schiffswracks zu suchen. Hauptsaison arktischer Unterwasserarchäologie ist im August und im September. Wo forschen Sie gerade?

Øyvind Ødegård: Wir arbeiten seit einigen Jahren vor allem in der Gegend östlich von Grönland, bei Spitzbergen. Seit dem frühen 16. Jahrhundert sind dort sehr viele Walfangschiffe untergegangen.

Diese Wracks liegen in bis zu 2000 Metern Tiefe. Nur wenige wurden bisher gefunden. Es ist sehr gefährlich hier zu tauchen. Darum versuchen wir dies – wenn immer möglich – zu vermeiden.

Was sind die grössten Gefahren bei einem Tauchgang in der arktischen See?

Es sind weniger die Temperaturen, die uns zu schaffen machen. Die grösste Gefahr ist die Dunkelheit, da wir teilweise an der norwegischen Küste auch an dunklen Wintertagen tauchen. Wir können dann zum Beispiel nicht mehr sehen, ob noch Luftblasen aufsteigen – das heisst, wo der Taucher sich genau befindet und ob er noch atmet.

Es sind weniger die Temperaturen, die uns zu schaffen machen. Die grösste Gefahr ist die Dunkelheit.
Autor: Øyvind Ødegård Unterwasserarchäologe

Hinzu kommt, dass Schiffe, die vorbeifahren allenfalls nicht sehen können, dass hier gerade Taucher an der Arbeit sind.

Am schwierigsten zu kontrollieren ist aber eine ganz andere Gefahr – und zwar schnelle Wetterwechsel: Plötzlich kommt starker Wind auf, es gibt hohe Wellen und man verliert leicht die Kontrolle über die Taucher und das Forschungsboot.

Da sind wir sehr vorsichtig und warten lieber mal zwei, drei Tage, bis wir wieder ins Wasser steigen.

Tragen Sie spezielle Taucheranzüge? Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt würde ein Mensch ohne Schutz ja innerhalb weniger Minuten sterben.

Wir haben Dry-Suits, nicht-isolierte Anzüge, die uns komplett trocken halten. Darunter tragen wir dann verschiedene Schichten warmer Kleidung aus Wolle oder Vlies. Unter Wasser sinkt die Temperatur nie unter minus zwei Grad Celsius. Das ist auszuhalten.

Richtig hart wird's erst, wenn man wieder aus dem Wasser steigt und darauf wartet, bis die nächsten Taucher ihre Arbeit erledigt haben.

Unter Wasser sinkt die Temperatur nie unter minus zwei Grad Celsius. Das ist auszuhalten.
Autor: Øyvind Ødegård Unterwasserarchäologe

Wir sitzen dann bei bis zu minus 14 Grad auf dem offenen Deck unseres Forschungsboots. Wenn der Anzug ein kleines Loch hat oder beim Ausziehen der Maske kaltes Wasser unter den Anzug geraten ist, wird's sehr ungemütlich.

Lassen Sie uns über Ihre maschinellen Helfer sprechen. Welche Techniken nutzen Sie bei Ihrer archäologischen Arbeit unter Wasser?

Ich suche in sehr weiten Gebieten nach Wracks, ohne zu wissen, wo die Wracks sich befinden. Dafür nutzen wir autonome Unterwasser-Fahrzeuge, sogenannte AUVs, «autonomous underwater vehicles».

Diese Roboter sehen aus wie Torpedos. Sie sind kabellos, arbeiten völlig selbständig und können eigene Entscheidungen treffen – zum Beispiel die beste Route wählen, Hindernissen ausweichen oder etwas Interessantes genauer untersuchen.

Drei torpedoförmige Roboter liegen auf einem Tisch.
Legende: Keine Torpedos, sondern drei «(light) autonomous underwater vehicles» der Norwegian University of Science and Technology in Trondheim: AUV Remus 100 (gelb), LAUV Harald (unterm Tisch) und LAUV Fridtjof. NTNU Trondheim

Hat der AUV seine Arbeit getan und lassen die von ihm gesammelten Daten vermuten, dass da unten ein Wrack liegen könnte, schicken wir einen ferngesteuerten Roboter los – einen sogenannten ROV, «remotely operated vehicle».

Dieser Tauchroboter ist durch ein Kabel mit uns an der Oberfläche verbunden. So können wir ihn gezielt lenken, um zu sehen, ob da wirklich etwas archäologisch Interessantes liegt – und zwar in Tiefen, in die wir keine Taucher mehr schicken.

Ein Mann lässt einen Unterwasserroboter über eine Seilwinde ins Wasser
Legende: Unterwasserarchäologen setzen oft ferngesteuerte Roboter ein, um Schiffswracks in den Untiefen der Arktis zu erkunden. Keystone

Eine der neuesten Technologien, um die Geheimnisse des Meeresbodens sichtbar zu machen, ist die sogenannte Hyperspektral-Bildgebung. Sie verwenden diese Technik auch. Wie funktioniert sie und was kann sie?

Das menschliche Auge, oder auch eine normale Digitalkamera, sieht nur Licht in drei Wellenlängen – und zwar rot, grün und blau. Eine Hyperspektral-Kamera erkennt dagegen Licht in bis zu 800 unterschiedlichen Wellenlängen.

Diese Kamera sieht also, was wir nicht erkennen können – etwa die Eigenschaften unterschiedlicher Materialien. Sie nimmt sozusagen einen optischen Fingerabdruck. Der Unterwasserroboter wiederum gleicht diesen Fingerabdruck mit der digitalen Datenbank ab, die er an Bord hat und erkennt, ob hier zum Bespiel Eisen, Holz, Keramik oder Glas liegt.

Ist dies der Fall, dann sieht das schon sehr nach den Überresten eines Schiffs aus. Diese Technik ist unglaublich faszinierend und wir hoffen, dass sie in Kombination mit autonomen Robotern in Zukunft viele Entdeckungen ermöglichen wird, ohne dass es unser Wissen und das menschliche Gehirn dazu braucht.

Das Gespräch führte Katharina Bochsler.

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