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Tierische Denkmalpflege An diesem Grab haben Bakterien zu beissen

Wie reinigt man historische Kulturgüter, ohne sie zu beschädigen? In Florenz setzen Restauratorinnen auf Bakterienstämme.

1519 starb ein Spross aus der Florentiner Fürstenfamilie Medici. Michelangelo, das Renaissance-Genie, schuf für den prominenten Toten ein stattliches Grabmal mit eindrucksvollen Skulpturen in der Basilika San Lorenzo in Florenz.

Doch leider balsamierte man die Leiche nicht und entnahm ihm auch nicht die Innereien. Die Folge: Der Verwesungsprozess setzte Flüssigkeiten frei, die den Marmor des Sarkophags nachhaltig verschmutzen.

Alle nur denkbaren Möglichkeiten zur Reinigung des Marmors von Michelangelos berühmter Skulpturengruft fruchteten nichts. Weder Laser noch Wasserstrahlreiniger. Auf chemische Mittel wurde verzichtet, weil sie die marmorne Oberfläche beschädigen können.

Blick auf einen grossen Raum mit Marmor-Grab
Legende: Die marmorne Oberfläche des Grabes von Lorenzo de Medici ist nicht einfach, schonend zu putzen. Bakterien machen es nun möglich. Getty Images / De Agostini

Bakterien im Einsatz

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der staatlichen Forschungsinstitutionen CNR und ENEA kamen auf die Idee, Bakterien einzusetzen. Diese sollten den Schmutz im wahrsten Sinn des Wortes wegfressen. Die Restauratoren in Florenz unter Leitung von Anna Rosa Sprocati sammeln schon seit Jahren Bakterienstämme, um zu testen, inwiefern und bei welchen Kunstwerken sie zu Reinigungsarbeiten eingesetzt werden können.

Zur Reinigung von Michelangelos Grabmal erwies sich das Bakterium «Serratia ficaria», kurz SH7, als äusserst effektiv. Dieses wurde in einer aufgelassenen Mine auf Sardinien entdeckt. Zusammen mit einem ebenfalls aus diesem Bakterium gewonnen Gel werden die vom Bakterium SH7 produzierten Enzyme auf feinstes Japanpapier aufgestrichen, das zuvor auf dem verschmutzten Marmor angebracht wurde.

Die Bakterien tun ihr Säuberungswerk. Anschliessend entfernt man das Japanpapier und der Marmor präsentiert sich wieder in ursprünglicher Schönheit.

Marmor-Statue eines Mannes, der liegt
Legende: Weil man 1519 die Leiche von Lorenzo di Medici nicht einbalsamierte, setzte der Verwesungsprozess Flüssigkeiten frei, die den Marmor des Sarkophags nachhaltig verschmutzen. Getty Images / Leemage / Corbis

Bakterien und der Friedhof

Schon 2018 kamen Bakterien in Pisa zum Einsatz. 1944 bombardierten dort alliierte Flieger den berühmten gotischen Friedhof beim schiefen Turm. Zerstört wurde dabei ein Teil eines einzigartigen Freskenzyklus aus dem 14. Jahrhundert. Ein Teil der geretteten Fresken war vor dem Angriff aus der Luft mit einem Schutz bedeckt worden, der auf den Malereien mit einem Klebstoff befestigt worden war.

Mithilfe von Bakterien, die diesen Klebstoff wegfrassen, konnten die Wandmalereien gerettet und schliesslich restauriert werden. Bakterien im Einsatz gegen hartnäckigen Schmutz sind also eine effektive Methode zur Rettung von Kunstwerken.

Radio SRF Kultur, Kultur-Aktualität, 18.6.2021, 08:15 Uhr

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