Übernimmst du mein Projekt? Ja klar. Kannst du für mich einspringen? – Kein Problem. Tust du mir einen Gefallen? Aber sicher. Wenn Sie sich in diesen Sätzen wiedererkennen, dann können Sie schlecht Nein sagen. Oder anders gesagt: Sie sagen immer oder zu oft Ja. Das können Sie ändern.
Gibt es den Ja-Sager-Typ, der nicht Nein sagen kann? «Nicht unbedingt», so die Psychologin und Psychotherapeutin Sandra Figlioli-Hofstetter. «Aus psychologischer Sicht liegt das chronische Ja-Sagen in der Erziehung begründet. » Also in der Kindheit.
Das Problem fängt an, wenn man sich selbst vor lauter Helfen, Unterstützen und Ja-Sagen übergeht und die eigenen Bedürfnisse ignoriert. Was hilft? Lernen, Nein zu sagen. Und lernen, sich abzugrenzen.
Nein-Sagen kommt nicht von heute auf morgen
Doch dafür braucht es Zeit und Übung. Zuerst geht es mal um ein Innehalten, bevor man, ohne zu überlegen, automatisch Ja sagt. «Voraussetzung ist hier ein achtsamer Umgang mit sich selbst», sagt die Psychologin.
Häufig ist da eine Urangst aus der Kindheit, dass man nicht mehr geliebt wird, wenn man nicht brav Ja sagt.
Am besten bedingt man sich erst mal eine Bedenkzeit aus. Und schliesslich braucht es Mut, auch mal Nein zu sagen.
Die alten Muster
Die alten Muster, die uns zu Ja-Sagerinnen und Ja-Sagern machen, muss man zuerst erkennen. «Häufig ist da eine Urangst aus der Kindheit, dass man nicht mehr geliebt wird, wenn man nicht brav Ja sagt», so Figlioli-Hofstetter.
Natürlich lässt sich nicht alles immer nur mit der Kindheit begründen. «Der Mensch ist ein soziales Wesen, das seit Jahrtausenden in Gruppen organisiert ist und ohne gegenseitige Hilfe nicht überleben kann.»
Helfen ist gewissermassen in unserer DNA. Denn wer nicht hilft, ist bald einmal allein. «Und das bedeutete evolutionsbiologisch den Tod.»
Die inneren Glaubenssätze neu formulieren
Zurück zu den inneren Glaubenssätzen, die einem Nein im Weg stehen. Diese gilt es zu erkennen und umzuformulieren. Es geht um die eigenen Grenzen, ein typisches Thema in der Psychotherapie .
«Eine Klientin hatte den Glaubenssatz verinnerlicht, dass sie bei einem ‹Nein›, nicht mehr akzeptiert und geliebt werden würde.» Hier gehe es um das sogenannte «Pleasing», zu Deutsch «gefallen wollen»: Nur wenn ich nett bin und helfe, bin ich ein guter Mensch und werde geliebt.
Die negativen Glaubenssätze aufschreiben
In der Therapie werde deshalb das «Nein-Sagen» geübt. «Dadurch gewinnt man an Selbstwert und das Gegenüber nimmt einen authentischer wahr.» Die Psychotherapeutin, empfiehlt, die negativen inneren Glaubenssätze aus der Kindheit aufzuschreiben. Dann geht es ans Formulieren neuer Glaubenssätze, die man den alten, hindernden gegenüberstellt.
Die neuen Glaubenssätze üben
Schliesslich geht’s ans Üben der neuen, erwachsenen Glaubenssätze, die nicht von der Angst nicht geliebt, nicht akzeptiert oder verlassen zu werden geprägt sind.
«Es geht darum, eine neue Erfahrung zu machen.» Beispielsweise, dass bei einem Nein, eine Freundschaft nicht in die Brüche gehen muss. «Schlussendlich geht darum zu lernen, dass ein Nein an das Gegenüber, ein Ja für sich selbst bedeutet», sagt die Psychotherapeutin.