Anonym, ohne Namen, alles wird verfremdet. Nur auf diese Weise kann das Team von Forschenden um Nico Ebert von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) nahezu die Wahrheit von seinen Probanden erfahren. Denn wer will schon über sein Onlineverhalten ehrlich und offen berichten?
«Wir sind in Schulen, in Jugendzentren gegangen und haben versucht, den Schülerinnen und Schülern einen geschützten Raum zu geben für die Interviews. Das war hochgradig vertraulich», erklärt Ebert.
In seiner Studie «Wie Jugendliche ihre Daten auf TikTok schützen» befragt der Forscher 54 Teenager zwischen 12 und 18 Jahren. Er untersucht, was die Zürcher zum Thema Datenschutz auf Tiktok wissen und wie sie ihre Daten schützen.
Doch es kommen noch weitere spannende Erkenntnisse heraus: Weil sie die App mit all ihren Funktionen nutzen wollen, umgehen beispielsweise viele Teenager aktiv den Jugend- und Kinderschutz. Dieser wird auch in anderen Studien immer wieder infrage gestellt.
Tiktok Challenges erforscht
Forschende der Ludwig-Maximilians-Universität München haben 2500 Tiktok Challenges untersucht. Ihre Studie «Challenge Accepted» kommt zum Schluss: Jugendliche im Alter von 10 bis 16 Jahren, die Tiktok nutzen, sehen regelmässig Inhalte, die bei ihnen Unwohlsein hervorrufen. Knapp 40 Prozent geben an, dass ihnen extremistisches Gedankengut begegnet.
Mit Blick auf die Challenges seien 30 Prozent davon potenziell schädlich, ein Prozent sogar potenziell tödlich. Die Forschenden warnen, dass Tiktok gesundheitsgefährdende Challenges zu wenig reguliert und diese sich somit schnell verbreiten können.
Eltern können aktiv begleiten
Tiktok kann auch süchtig machen und in einen Strudel ziehen. Davor schützen sich Jugendliche teilweise selbst, wie Nico Ebert von der ZHAW herausfindet: «Wenn bei älteren Jugendlichen der Lehrabschluss näher rückte, haben einige ihre Zeit auf Tiktok beschränkt. Ein 16-Jähriger hatte seine Eltern sogar gebeten, für ihn eine App-Sperre zu aktivieren, mit einem Code, den nur sie kennen.»
Bei Tiktok gibt es auch einen «Begleiteten Modus». Dabei stellen die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern die Bildschirmzeit ein, Kontaktmöglichkeiten und Filterung der Videos.
Aber es gibt auch das Gegenteil, finden Ebert und sein Team heraus: Eine 14-Jährige hat ihre Eltern bewusst geblockt. Sie will nicht, dass ihre Mutter ihre Videos sieht.
Eine weitere 14-Jährige «hatte die ganze Nacht auf Tiktok verbracht und nur zwei Stunden geschlafen, bevor sie mit mir im Interview sass», erzählt Studienautor Nico Ebert. «Sie hatte 50 verschiedene Accounts für verschiedene Zielgruppen und mit verschiedenen Themen und einen kleinen Werbevertrag für Augenextensions.»
Weiterführende Informationen
Kaum Bewusstsein für Datenschutz
«Die Leute wissen schon, was sie auf die Plattform hochladen und welche Personen aus dem Umfeld das sehen, aber nicht, was Tiktok, also das Unternehmen, selbst eigentlich damit macht», sagt Nico Ebert. Das gilt wahrscheinlich nicht nur für diese Jugendlichen, sondern auch für viele Erwachsene.
Eberts Fazit: «Es ist eine unglaublich tolle, kreative Plattform. Aber man kann sich viel besser auf die tatsächlichen Benutzergruppen einstellen und muss ihren Bedürfnissen gerecht werden. Und das sind auch Kinder, die teilweise sehr jung sind. Ich glaube, das tut Tiktok noch nicht hinreichend.»