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Video-App mit Nebenwirkungen Was wir über Tiktok wirklich wissen

Eine anonymisierte Studie liefert ungefilterte Einblicke, wie Teenager Tiktok nutzen. Auffallend: Die Jugendlichen schützen sich kaum vor Datenmissbrauch und irritierenden Inhalten.

Anonym, ohne Namen, alles wird verfremdet. Nur auf diese Weise kann das Team von Forschenden um Nico Ebert von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) nahezu die Wahrheit von seinen Probanden erfahren. Denn wer will schon über sein Onlineverhalten ehrlich und offen berichten?

Nico Ebert

Professor

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Nico Ebert ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der ZHAW School of Management and Law.

Institut für Wirtschaftsinformatik

«Wir sind in Schulen, in Jugendzentren gegangen und haben versucht, den Schülerinnen und Schülern einen geschützten Raum zu geben für die Interviews. Das war hochgradig vertraulich», erklärt Ebert.

In seiner Studie «Wie Jugendliche ihre Daten auf TikTok schützen» befragt der Forscher 54 Teenager zwischen 12 und 18 Jahren. Er untersucht, was die Zürcher zum Thema Datenschutz auf Tiktok wissen und wie sie ihre Daten schützen.

Mangelnde Kontrolle und Moderation

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Eine Studie der Nichtregierungsorganisation «Reset» zeigt auf: Grosse Plattformen moderieren nachlässig. In der Studie werden mehr als 200 Bilder und Videos, die Essstörungen, Selbstverletzung oder Selbstmord verherrlichen oder verharmlosen, mithilfe einer Psychologin identifiziert und an die jeweilige Plattform gemeldet.

Über vier Wochen beobachtet die Organisation, ob die Postings gelöscht, mit einem Warnhinweis versehen – oder stehen gelassen werden. Bei Tiktok liegt die Löschrate bei gut einem Prozent.

Doch es kommen noch weitere spannende Erkenntnisse heraus: Weil sie die App mit all ihren Funktionen nutzen wollen, umgehen beispielsweise viele Teenager aktiv den Jugend- und Kinderschutz. Dieser wird auch in anderen Studien immer wieder infrage gestellt.

Tiktok Challenges erforscht

Forschende der Ludwig-Maximilians-Universität München haben 2500 Tiktok Challenges untersucht. Ihre Studie «Challenge Accepted» kommt zum Schluss: Jugendliche im Alter von 10 bis 16 Jahren, die Tiktok nutzen, sehen regelmässig Inhalte, die bei ihnen Unwohlsein hervorrufen. Knapp 40 Prozent geben an, dass ihnen extremistisches Gedankengut begegnet.

Was sind Tiktok Challenges?

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Challenges sind zum Beispiel ein gemeinsames Duett, eine Choreografie zum neuesten Hit oder ein lustiger Streich. Ihnen allen gemein ist, dass Challenges eine festgelegte Aktivität umfassen, deren Durchführung in Form von Videos festgehalten wird, die dann auf Social Media Plattformen hochgeladen werden.

Quelle: «Challenge Accepted»

Mit Blick auf die Challenges seien 30 Prozent davon potenziell schädlich, ein Prozent sogar potenziell tödlich. Die Forschenden warnen, dass Tiktok gesundheitsgefährdende Challenges zu wenig reguliert und diese sich somit schnell verbreiten können.

Eltern können aktiv begleiten

Tiktok kann auch süchtig machen und in einen Strudel ziehen. Davor schützen sich Jugendliche teilweise selbst, wie Nico Ebert von der ZHAW herausfindet: «Wenn bei älteren Jugendlichen der Lehrabschluss näher rückte, haben einige ihre Zeit auf Tiktok beschränkt. Ein 16-Jähriger hatte seine Eltern sogar gebeten, für ihn eine App-Sperre zu aktivieren, mit einem Code, den nur sie kennen.»

Bei Tiktok gibt es auch einen «Begleiteten Modus». Dabei stellen die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern die Bildschirmzeit ein, Kontaktmöglichkeiten und Filterung der Videos.

«Begleiteter Modus» auf Tiktok

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Für den «Begleiteten Modus» (im Profil zu finden unter Einstellungen und Datenschutz) muss TikTok sowohl auf dem Smartphone der Jugendlichen als auch dem Eltern-Smartphone installiert sein. 

  • Eltern legen gemeinsam mit ihren Kindern eine Nutzungszeit von 40, 60, 90 oder 120 Minuten pro Tag fest.  
  • Es wird festgelegt, wer den Kindern private Nachrichten senden darf: Jeder, nur Freunde oder niemand.   
  • Im eingeschränkten Modus werden bestimmte Inhalte, die für Erwachsene bestimmt sind, herausgefiltert – so werden nur altersgerechte Videos angezeigt.

Aber es gibt auch das Gegenteil, finden Ebert und sein Team heraus: Eine 14-Jährige hat ihre Eltern bewusst geblockt. Sie will nicht, dass ihre Mutter ihre Videos sieht.

Eine weitere 14-Jährige «hatte die ganze Nacht auf Tiktok verbracht und nur zwei Stunden geschlafen, bevor sie mit mir im Interview sass», erzählt Studienautor Nico Ebert. «Sie hatte 50 verschiedene Accounts für verschiedene Zielgruppen und mit verschiedenen Themen und einen kleinen Werbevertrag für Augenextensions.»

Weiterführende Informationen

Kaum Bewusstsein für Datenschutz

«Die Leute wissen schon, was sie auf die Plattform hochladen und welche Personen aus dem Umfeld das sehen, aber nicht, was Tiktok, also das Unternehmen, selbst eigentlich damit macht», sagt Nico Ebert. Das gilt wahrscheinlich nicht nur für diese Jugendlichen, sondern auch für viele Erwachsene.

Tiktok öffnet sich der Wissenschaft

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Mann mit Brille
Legende: Tim Klaws srf

Tim Klaws, ein Leiter der Regierungsbeziehungen von Tiktok, sagt: «Wir haben den API-Zugang für Forschende in Europa gestartet. Dort können Bewerbungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eingereicht werden, um den Algorithmus von Tiktok besser zu erforschen. Dazu wollen wir beitragen, um mehr Transparenz zu schaffen.»

Eberts Fazit: «Es ist eine unglaublich tolle, kreative Plattform. Aber man kann sich viel besser auf die tatsächlichen Benutzergruppen einstellen und muss ihren Bedürfnissen gerecht werden. Und das sind auch Kinder, die teilweise sehr jung sind. Ich glaube, das tut Tiktok noch nicht hinreichend.»

DOK, 11.04.2024, 20:05 Uhr

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