Zum Inhalt springen

Header

Audio
Wie radioaktiv ist die Schweiz?
Aus Wissenschaftsmagazin vom 18.06.2022. Bild: VBS/DDPS
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 24 Sekunden.
Inhalt

Vorbereitung für den Ernstfall Radioaktivität aus dem Helikopter messen

Was passiert, wenn ein Nuklearunfall oder ein Anschlag Gebiete der Schweiz verstrahlt? Für einen raschen Überblick der Lage käme ein mit Messgeräten ausgerüsteter Helikopter zum Einsatz. Dieser Einsatz wird jährlich geübt.

Personen vom Militär packen Messgeräte in einen Superpuma-Helikopter am Militärflugplatz Dübendorf und heben ab. Das würden sie auch in einem nuklearen Ernstfall tun. Nur etwas schneller. Denn dieses Mal ist es zum Glück nur die jährliche Übung.

Der Ernstfall, das wären Unfälle in einem Kernkraftwerk in der Schweiz oder im Ausland. Aber auch Atomwaffenexplosionen, sogenannte «schmutzige Bomben» oder generell ein Terroranschlag, sagt Cristina Poretti, die für die Messkampagne zuständig ist.

Die Mathematikerin und Physikerin arbeitet bei der Nationalen Alarmzentrale im Bereich «Einsatz Radioaktivität». Falls der Ernstfall eintritt, würden die geschulten Personen vom Militär innert Stunden die nötigen Messgeräte in einen Superpuma-Helikopter der Armee einbauen können und in der betroffenen Zone Messungen aus der Luft durchführen.

Cristina Poretti, Verantwortliche für die Messkampagne, steht mit dem Pilot vor dem Superpuma
Legende: Cristina Poretti, Verantwortliche für die Messkampagne, mit Loadmaster Sasha Mackintosh vor dem Superpuma. SRF

Helikopter versus Drohne

Wird ein Gebiet radioaktiv verstrahlt, erhält die Nationale Alarmzentrale aus der Luft dann rasch einen Überblick. Geht die Quelle von einem einzigen Punkt aus, liesse sie sich zeitnah lokalisieren und mit dem Helikopter allenfalls auch bergen. Das ist auch mit ein Grund, warum für die Messungen nicht Drohnen eingesetzt werden, sondern ein bemannter Helikopter.

Der Helikopter ist schneller als eine Drohne und kann drei Stunden in der Luft bleiben.
Autor: Cristina Poretti Mathematikerin und Physikerin bei der Nationalen Alarmzentrale

Damit könne man eine Fläche von 100 Quadratkilometern ausmessen. Das ist etwa vier Mal so gross wie der Walensee. Mit einer Drohne wäre das nicht möglich.

System mit Detektor

Diese Messungen aus der Luft müssen trainiert werden. Das wird schnell klar, als Cristina Poretti das ganze System zeigt. Im Einsatz ist es am Flughafen in Dübendorf, während der Messwoche. Im Bauch des Superpumas wird der Detektor eingebaut: vier grosse Natrium-Iodid Kristalle mit je rund vier Litern Volumen. Diese messen die radioaktive Strahlung, die auf sie trifft – konkret, die Gammastrahlung.

Diese silberne Kiste ist der Detektor: vier grosse Natrium-Iodid Kristalle mit je rund vier Litern Volumen.
Legende: Der Detektor misst die radioaktive Gammastrahlung. VBS/DDPS

Angezeigt werden die Messwerte dann im Sekundentakt auf mehreren Bildschirmen im Helikopter. Zwei Personen bedienen das System und überwachen die Messwerte während des Fluges, zusätzlich zu den zwei Piloten und der weiteren Crew, die noch mit an Bord ist.

Spuren des Fallouts von Tschernobyl erkennbar

Während der ganzen Messwoche wird, wie erwartet, nichts Besonderes festgestellt. Besonders bei Flügen im Tessin oder den Bünder Südtälern sieht man aber noch Spuren des Fallouts von Tschernobyl. Und beim Überflug über die Schweizer Kernkraftwerke sieht man bei den Siedewasserreaktoren leichte Strahlung aus dem Maschinenhaus, was konstruktionsbedingt normal ist.

Die Daten der Messwoche werden gespeichert und liegen bereit, falls es im Ernstfall notwendig wäre «vorher» und «nachher» zu vergleichen.

Messnetz auch am Boden

Der Helikopter ist aber nur eine Ergänzung zum Messnetz am Boden.  In der Schweiz wird Radioaktivität sogar hauptsächlich am Boden gemessen. Knapp vor dem Reaktorunfall in Tschernobyl im Jahr 1986 nahm die Schweiz erste Stationen des nationalen Messnetzes in Betrieb, dem sogenannte «NADAM», mit einer Handvoll Bodenstationen.

Aber um die radioaktive Wolke aus dem Osten zu detektieren, waren die ersten Stationen am falschen Ort – statt im Tessin und Bodensee waren sie erst in der Innerschweiz montiert. Nach dem Reaktorunglück wurde das Messnetz rasch ausgebaut und heute gibt es über 130 automatische Messstationen für Radioaktivität in der Schweiz. Diese sind übers Internet zugänglich.

Wissenschaftsmagazin, 18.06.2022, 12:40 Uhr

Meistgelesene Artikel