Personen vom Militär packen Messgeräte in einen Superpuma-Helikopter am Militärflugplatz Dübendorf und heben ab. Das würden sie auch in einem nuklearen Ernstfall tun. Nur etwas schneller. Denn dieses Mal ist es zum Glück nur die jährliche Übung.
Eindrücke der Atomflug-Übung
Der Ernstfall, das wären Unfälle in einem Kernkraftwerk in der Schweiz oder im Ausland. Aber auch Atomwaffenexplosionen, sogenannte «schmutzige Bomben» oder generell ein Terroranschlag, sagt Cristina Poretti, die für die Messkampagne zuständig ist.
Die Mathematikerin und Physikerin arbeitet bei der Nationalen Alarmzentrale im Bereich «Einsatz Radioaktivität». Falls der Ernstfall eintritt, würden die geschulten Personen vom Militär innert Stunden die nötigen Messgeräte in einen Superpuma-Helikopter der Armee einbauen können und in der betroffenen Zone Messungen aus der Luft durchführen.
Helikopter versus Drohne
Wird ein Gebiet radioaktiv verstrahlt, erhält die Nationale Alarmzentrale aus der Luft dann rasch einen Überblick. Geht die Quelle von einem einzigen Punkt aus, liesse sie sich zeitnah lokalisieren und mit dem Helikopter allenfalls auch bergen. Das ist auch mit ein Grund, warum für die Messungen nicht Drohnen eingesetzt werden, sondern ein bemannter Helikopter.
Der Helikopter ist schneller als eine Drohne und kann drei Stunden in der Luft bleiben.
Damit könne man eine Fläche von 100 Quadratkilometern ausmessen. Das ist etwa vier Mal so gross wie der Walensee. Mit einer Drohne wäre das nicht möglich.
System mit Detektor
Diese Messungen aus der Luft müssen trainiert werden. Das wird schnell klar, als Cristina Poretti das ganze System zeigt. Im Einsatz ist es am Flughafen in Dübendorf, während der Messwoche. Im Bauch des Superpumas wird der Detektor eingebaut: vier grosse Natrium-Iodid Kristalle mit je rund vier Litern Volumen. Diese messen die radioaktive Strahlung, die auf sie trifft – konkret, die Gammastrahlung.
Angezeigt werden die Messwerte dann im Sekundentakt auf mehreren Bildschirmen im Helikopter. Zwei Personen bedienen das System und überwachen die Messwerte während des Fluges, zusätzlich zu den zwei Piloten und der weiteren Crew, die noch mit an Bord ist.
Spuren des Fallouts von Tschernobyl erkennbar
Während der ganzen Messwoche wird, wie erwartet, nichts Besonderes festgestellt. Besonders bei Flügen im Tessin oder den Bünder Südtälern sieht man aber noch Spuren des Fallouts von Tschernobyl. Und beim Überflug über die Schweizer Kernkraftwerke sieht man bei den Siedewasserreaktoren leichte Strahlung aus dem Maschinenhaus, was konstruktionsbedingt normal ist.
Die Daten der Messwoche werden gespeichert und liegen bereit, falls es im Ernstfall notwendig wäre «vorher» und «nachher» zu vergleichen.
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Messnetz auch am Boden
Der Helikopter ist aber nur eine Ergänzung zum Messnetz am Boden. In der Schweiz wird Radioaktivität sogar hauptsächlich am Boden gemessen. Knapp vor dem Reaktorunfall in Tschernobyl im Jahr 1986 nahm die Schweiz erste Stationen des nationalen Messnetzes in Betrieb, dem sogenannte «NADAM», mit einer Handvoll Bodenstationen.
Aber um die radioaktive Wolke aus dem Osten zu detektieren, waren die ersten Stationen am falschen Ort – statt im Tessin und Bodensee waren sie erst in der Innerschweiz montiert. Nach dem Reaktorunglück wurde das Messnetz rasch ausgebaut und heute gibt es über 130 automatische Messstationen für Radioaktivität in der Schweiz. Diese sind übers Internet zugänglich.