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Nachhaltigkeit: Was die Menschen von Muscheln und Algen lernen können
Aus Einstein vom 07.10.2021.
Bild: SRF abspielen. Laufzeit 36 Minuten 47 Sekunden.
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Regeneratives Bauen Wachsen unsere Häuser bald auf dem Meeresgrund?

Rund 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses geht auf Gebäude zurück. Wie wäre es, mineralisiertes CO2 zum Bauen zu nutzen?

Seit seiner frühesten Jugend begeisterten Michael Pawlyn Design, Biologie und Umwelt gleichermassen. Nach dem Architekturstudium war er massgeblich an einem visionären Projekt beteiligt, welche alle drei Themen in sich vereint: Dem Eden-Projekt in England.

Auf dem Bild ist Michael Pawlyn zu sehen.
Legende: Michael Pawlyn lässt sich bei seinen Designs von der Natur inspirieren. ZVG

Eden ist ein 50 Hektar grosser botanischer Garten, der den grössten Treibhaus-Regenwald der Welt beherbergt. Pawlyn war mitverantwortlich für die markante Kuppelstruktur, die sogar im Bondfilm «Die another Day» als Kulisse diente.

Von Muscheln abgeschaut

Für diese Kuppeln liess sich der umtriebige Brite von mehreren Besonderheiten der Natur inspirieren. Insbesondere den Gehäusen von Schalentieren. Denn obwohl Muschelschalen oder Schneckenhäuser nur aus einer dünnen Kalkschicht bestehen, sind sie durch ihre Wölbung besonders steif und stabil.

Anstelle von Glasplatten verwendete Pawlyn transparente Kissen aus Kunststofffolien. Sie sind mit Luft gefüllt und dadurch extrem stabil. Die runden, leichten Bauteile greifen wie Schalen ineinander. Aufgrund dieser Leichtbaukonstruktion konnte die Energie für die Herstellung der Bauteile und die Konstruktion um 99 Prozent reduziert werden. Zwar wurden pneumatisch gestützte Kissen auch schon früher punktuell eingesetzt. Die Dimensionen der Eden-Kuppeln von 30'000 Quadratmeter übertraf in ihrer Dimension aber alles dagewesene.

Wir müssen von nachhaltigem zu regenerativem Design übergehen.
Autor: Michael Pawlyn Architekt

Architektur und Bau arbeiten an immer nachhaltigeren Bauweisen. Heutige Gebäude sind bereits viel energieeffizienter als noch vor Jahrzehnten. Doch auch die nachhaltigste Bauweise verbraucht Ressourcen und verursacht CO2-Emissionen. Es brauche einen nächsten Schritt. «Wir müssen von nachhaltigem Design zu regenerativem Design übergehen» meint Pawlyn. Künftig müssten Architekten Gebäude entwerfen, die einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben.

Aus CO2 einen Baustoff machen

Der Architekt verfolgt deshalb ein ambitioniertes Ziel. Er will mineralisiertes CO2 aus der Atmosphäre als Baustoff verwenden, sogenannten Biorock. Die Technologie existiert bereits und wird verwendet, um zerstörte Korallenriffe wieder aufzubauen.

Die Lösung ist der Natur abgeschaut: von einzelligen Kalkalgen. Ihr Körper ist in eine Kugel aus Kalziumkarbonat gehüllt – versteinertem CO2. Sterben die Algen ab, sinken die Gehäuse auf den Meeresgrund und bilden Kalkstein.

«Eine der Lösungen gegen die Klimaerwärmung wäre es, mehr Material aus mineralisiertem CO2 aus der Luft zu erzeugen» ist Pawlyn überzeugt. Durch die Biorock-Technologie kann dieses in ein sehr starkes Material umgewandelt werden.

Ein Theater, das unter Wasser wächst

Als erstes will Pawlyn ein kleines Theater aus dem Material erzeugen. Es ähnelt von der Form her einer Muschel. Und es soll komplett im Meer wachsen. Dafür wird eine Stahlkonstruktion aus dünnen Drähten im Meer versenkt, durch welche ein schwacher elektrischer Strom geleitet wird. Dadurch verkrusten die im Wasser gelösten Mineralien und erzeugen eine Struktur, welche so belastbar sei wie Stahlbeton.

Wenn es fertig gewachsen ist, soll es als fertiges Gebäude an die Oberfläche geholt werden. Unter Wasser ganze Gebäude mit versteinertem CO2 organisch wachsen zu lassen, ist ein ehrgeiziges Projekt. Doch es braucht solche Visionen, um die Emissionen des heutigen energieintensiven Bauens zu reduzieren.

Einstein, 07.10.2021, 21:00

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