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Weltvegantag Turnschuh im Trend: So nachhaltig sind vegane Sneaker wirklich

Der Markt für vegane Produkte wächst. Doch ist frei von tierischen Stoffen auch besser für die Umwelt? Wir nehmen am Weltvegantag vegane Sneaker unter die Lupe.

Im Werbefenster von Instagram findet ein Wettlauf statt: Ein veganer Turnschuh jagt hier den nächsten. Als Statussymbol unserer Zeit steigt die Nachfrage nach Nachhaltigkeit auch in der Mode. Fatal ist: Veganes Leder, mit dem zahlreiche Sneaker-Marken werben, ist nicht per se nachhaltiger als Tierleder.

Kein Sieg für veganes Leder

Alexandra Pfister unterrichtet seit zehn Jahren an der Schweizerischen Textilfachschule zum Thema Leder. Am Anfang des Semesters frage sie ihre Studierenden gern zu ihren Erfahrungen mit Leder-Ersatz-Produkten.

Wenn man sich bei der Frage der Nachhaltigkeit die ganze Kette anschaut, gewinnt veganes Leder den Wettlauf nicht.
Autor: Alexandra Pfister Modedesignerin

Das Fazit ist oft ähnlich: «Wenn man sich bei der Frage der Nachhaltigkeit die ganze Kette anschaut», sagt Pfister und zählt die verbrauchte Energie, die Tragedauer, das Recycling auf, «dann gewinnt veganes Leder den Wettlauf nicht.» Es sei in der Regel schneller abgetragen als herkömmliches Leder. «Und ist am Ende als Sondermüll nicht abbaubar.»

Was einen Schuh nachhaltig macht

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Auf dem Bild ist ein Regal mit vielen Turnschuhen zu sehen-
Legende: Wirklich nachhaltig: Weniger Konsum. Imago Images / agefotostock

«Eine seriöse Ökobilanz muss man über den ganzen Lebenszyklus eines Produkts machen», sagt Textilingenieur Kai Nebel von der Hochschule Reutlingen. Das sei teuer und komplex, weil ein Schuh etwa aus 40 verschiedenen Materialien bestehe. Welcher Sneaker am besten abschneidet, lässt sich also nicht berechnen. Der Forscher hat trotzdem Tipps:  

  • Bevor man neue Schuhe kauft, erst überlegen: Brauche ich das Produkt wirklich und wozu?
  • Von der Lebensdauer ist tierisches Leder bislang unschlagbar, pflanzlich gegerbt ist es umweltfreundlicher.
  • Auch Kunststoff-Schuhe, die gut hergestellt sind, halten eine Weile, besonders wenn man sie gut pflegt.
  • Wenn ein Schuh bequem ist, man ihn gerne und lange trägt, ist schon viel für die Nachhaltigkeit getan.
  • Das Einzige, was der Umwelt wirklich etwas bringt, ist: weniger Konsum.

Leder aus Obst

Die älteste Alternative zu Tierleder ist Kunstleder. Produziert wird es aus Kunststoff (aus PU oder PVC) – und damit auf Basis von Erdöl. Mittlerweile suchen immer mehr Firmen nach anderen Stoffen, zum Beispiel in Pflanzenabfällen. Aus Ananasblättern, die bei der Ernte übrig bleiben, Maisabfällen oder Apfelresten, die beim Saftpressen anfallen, wird veganes Leder gemacht.

Nur: Schuhe müssen viel aushalten. Ohne Kunststoff geht es nicht. «Bis Sie aus einem Apfel Leder haben, das ist ein wahnsinnig aufwendiger Prozess, der sehr viele Chemikalien braucht», weiss Modedesignerin Pfister.

Das Problem der Lederindustrie

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Etwa 20 Arbeitsschritte braucht es, damit aus einer Tierhaut Leder für die Modeindustrie wird. Der Prozess verschlingt riesige Mengen Wasser und Energie. Die Tierhäute werden in Chemikalien eingelegt und gegerbt, damit sie haltbar und stabil sind. Rund 500 Liter Wasser braucht das Gerben von einem Quadratmeter Leder.

Besonders für das Gerbverfahren mit dem Schwermetall Chrom stand die Lederindustrie in der Vergangenheit in der Kritik. Es gibt auch «vegetabile» Gerbetechniken: Die sind aufwendiger, kommen aber mit natürlichen Stoffen wie Olivenblättern oder Rhabarberwurzeln aus.

Besonders tragisch: Der Grossteil des weltweit verwendeten Leders kommt aus Gerbereien in Asien – wo Arbeiterinnen und Arbeiter giftigen Chemikalien ausgesetzt sind, welche der Gesundheit und der Umwelt schaden. 2013 setzte das New Yorker Blacksmith Institut den Ort Hazaribagh in Bangladesch deswegen auf Platz fünf der am stärksten verschmutzten Orte der Welt.

Textilingenieur Kai Nebel bekräftigt das. Der Forscher entwickelt selbst an einem veganen Sneaker mit. «Es gibt im Moment keine vernünftigen Alternativen für synthetische Bindemittel.» Und in diesen steckt Erdöl.

Es wird auch geschummelt

Was alles in einem Schuh verarbeitet ist, muss nicht deklariert werden. Leder-Expertin Pfister meint dazu: «Die Industrie ist sehr clever, je nach Trend kann man ein Produkt entsprechend tunen – da wird zum Teil viel geschummelt.»

Will heissen: Die steigende Nachfrage nach nachhaltigen Schuhen treibt die Hersteller nicht automatisch in eine grüne Richtung. «Sie verkaufen nur ein Lebensgefühl», sagt Textilingenieur Nebel.

Nicht genügend Pflanzenabfälle

Das Gewissen lässt sich vom Marketing vielleicht beruhigen, doch die Realität ist eine andere: Für genügend Schuhe aus Ananas oder Äpfeln müsste man deutlich mehr Obst anbauen, weil die Pflanzenabfälle gar nicht reichen. «Damit würden die Leder-Alternativen aber Nahrungsmittel konkurrenzieren», sagt Nebel. Was auch nicht Sinn der Sache sei.

Ein Plastik-Sneaker, den ich zehn Jahre tragen kann, ist schon nachhaltig
Autor: Kai Nebel Textilingenieur

Das Material alleine sagt folglich nichts über Nachhaltigkeit aus. «Ein Plastik-Sneaker, den ich zehn Jahre tragen kann, ist doch schon recht nachhaltig», sagt Nebel. So viel Erfahrung hat man mit den veganen Materialien zwar noch nicht, doch Nebel ist sicher: «Wir kommen nicht ums Erdöl herum», auch wenn die Entwicklung von Leder-Alternativen noch am Anfang steht.

 Wirklich nachhaltig ist der Verzicht

Den vielversprechendsten Versuch für veganes Leder sieht der Textilingenieur in Leder aus Pilzen, genauer gesagt dem unterirdischen Geflecht Myzel. Das braucht weniger Wasser und Platz als andere Rohstoffe.

Welcher Sneaker am Ende am nachhaltigsten ist? Der, den man möglichst lange trägt. «Man muss sich fragen: Wie viele Sneaker brauche ich überhaupt?», meint Modedesignerin Pfister.

SRF 1, Einstein, 27.10.2022, 21:05 Uhr

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