Weltweit steht es schlecht um die Tier- und Pflanzenwelt. Diese Woche treffen sich in Davos gut 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und diskutieren an der Welt-Biodiversitätskonferenz, was man gegen den rapiden Artenverlust tun kann.
In der Schweiz gibt es allerdings auch einige wenige Lichtblicke. Man findet biologische Vielfalt an unerwarteten Orten: in den Städten, an Bahndämmen und entlang von Autobahnen.
Bunter Salbei statt exotisches Grün
Auf Verkehrsinseln zum Beispiel, wo früher Cotoneaster oder anderes exotisches Einheitsgrün wuchs, blühen im Frühling bald wieder einheimische Arten wie tiefblauer Salbei, Margeriten und gelber Hornklee.
Dieser Wechsel sei nicht nur eine Wohltat fürs Auge, er wirke sich auch positiv auf die Tierwelt aus, sagt Christoph Küffer, Stadtökologe und Professor an der Hochschule für Technik in Rapperswil: «Wir haben zunehmend Daten, die zeigen, dass Schmetterlinge, Wildbienen und andere Insekten in die Stadt zurückkommen, sobald die Futterpflanzen da sind, die sie brauchen.»
In der Summe viele Arten
Eine Untersuchung in der Stadt Zürich hat gezeigt, dass selbst kleinste Flächen wertvoll sein können, wie etwa das Grün unter den Stadtbäumen. Auf Hunderten solcher Kleinstflächen haben die Botaniker die Wildpflanzen bestimmt und kartiert.
Oft sind es an einem Ort nur wenige Pflanzenarten – aber von Fleck zu Fleck wieder andere. «In der Summe kommen so erstaunlich viele Wildpflanzenarten zusammen», sagt Küffer. Noch wichtiger für die Vielfalt sind Bahndämme und Strassenböschungen, weil sie die Kleinstlebensräume verbinden.
Ein unerwartetes Paradies für Schlangen
Auch der Wert von Autobahnböschungen ausserhalb der Städte werde meist massiv unterschätzt, sagt der Agrarökologe Andreas Bosshard: «Das sind oft die einzigen nährstoffarmen Standorte, die in der überdüngten Agrarlandschaft noch existieren.»
Wie wertvoll Autobahnböschungen sein können, zeigt ein Fall aus der Westschweiz: Entlang der A9 am Genfersee wurde vor Kurzem per Zufall das letzte grosse Vorkommen der Aspisviper entdeckt und gerettet.
Die seltenen Schlangen lieben die heissen Steine an der steilen Böschung, wo sie nicht gestört werden – ein Lebensraum, wie sie ihn im Mittelland sonst nirgendwo mehr finden.
Richtige Saatmischung ist entscheidend
«Es ist schade, wenn man diese Flächen nicht optimal für die Biodiversität nutzt», sagt Bosshard. An viele Orten liessen sich solche Restflächen für die Natur aufwerten. Etwa indem man die richtigen Pflanzen sät.
Heute aber würden zum Beispiel nach Strassensanierungen in vielen Kantonen und Gemeinden noch immer ökologisch wertlose, nicht dem Standort angepasste Saatmischungen eingesetzt.
Vielfalt lohnt sich
Bosshard hat deshalb begonnen, auf den verbliebenen artenreichen Wiesen in allen Regionen der Schweiz Samen zu ernten. Danach verkauft er sie als standortgerechtes Saatgut an Landschaftsgärtnerinnen oder Autobahnbauer weiter. In Deutschland darf seit diesem Jahr nur noch lokal angepasstes Saatgut verwendet werden.
Der richtige Unterhalt dieser biologisch vielfältigen Flächen kostet zwar, denn sie dürfen etwa nicht zu früh und nicht auf einen Schlag gemäht werden. Aber für die Tier- und Pflanzenwelt zahlt sich dieser Einsatz aus, wie verschiedene Untersuchungen zeigen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 22.02.20, 12:40 Uhr