«Auch in Italien wissen es längst nicht alle», sagt Meeresbiologe Simone Panigada, «aber im Mittelmeer leben viele Wale.» Aktuelle Schätzungen gehen von etwa 1700 erwachsenen Finnwalen und etwas weniger Pottwalen aus. Doch gleichzeitig ist der Schiffsverkehr sehr dicht. Die Schiffe werden immer grösser – und vor allem auch schneller.
Express-Fähren wie die nach Korsika sind mit bis zu 70 Stundenkilometern unterwegs. Schon ab 20 km/h aber wird es für die Wale gefährlich, denn die Meeressäuger verbringen viel Zeit an der Wasseroberfläche zum Atmen. Teilweise auch zum Schlafen. Je schneller die Schiffe auf sie zukommen, desto knapper die Zeit, um abzutauchen.
Grosse Wale im Mittelmeer
Die meisten Kollisionen bleiben unbemerkt
Simone Panigada ist Präsident des Forschungsinstituts Tethys und beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit Walen. Oft ist er auf dem Meer, auch auf dem Forschungsschiff «Pelagos», mit dem Tethys seit 1990 unter Mithilfe von Freiwilligen Daten über das Leben und die Verbreitung der Meeressäuger sammelt.
Oft würden die Kollisionen auf den grossen, schnellen Schiffen gar nicht bemerkt, sagt Panigada: «Es kommt vor, dass eine grosse Fähre in den Hafen einläuft und die Crew erst da bemerkt, dass vor dem Schiff über dem Bugwulst ein mehrere Tonnen schwerer Finnwal liegt.» Es ist schwierig, die Zahl der Kollisionen pro Jahr zu benennen. Eine aktuelle Studie beziffert alleine die Zahl der getöteten Finnwale im Mittelmeer auf etwa 40 pro Jahr.
Noch keine Warnsysteme für die Schiffe
Gebiete mit vielen Walen zu umfahren, funktioniert nur dort, wo die Wale ortstreu sind. Zum Beispiel im östlichen Mittelmeer, südlich des Peloponnes. Im nordwestlichen Mittelmeer hingegen, zwischen Genua, Sardinien und Valencia, gibt es überall viele Wale. «Wenn wir hier eine Schifffahrtsroute 30 Kilometer südlich verlegen, trifft es einfach andere Tiere», sagt Panigada.
Deshalb wird an einem technischen System getüftelt, das den Standort der Meeressäuger mit akustischen Bojen detektieren und den Schiffen übermitteln soll. «Aber solange das nicht ausreichend gut funktioniert», sagt Panigada, «gibt es nur eine Lösung: langsamer fahren.»
Abbremsen bleibt eine Empfehlung
Anfang Juli hat die internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO den Beschluss gefasst, das nordwestliche Mittelmeer zu einer besonders sensiblen Zone zu erklären , um Kollisionen von Schiffen mit Walen zu verhindern. Die Schiffe sollen dafür langsamer fahren.
Die Meeresschutzorganisation Ocean Care zeigt sich erfreut. «Allerdings ist es bisher nur eine freiwillige Massnahme», sagt Nicolas Entrup von Ocean Care. «Somit liegt es am Kapitän, ob er wirklich langsamer fährt oder weiter Gas gibt.»
Längere Fahrt nach Korsika
Die Diskussion mit den Reedereien sei schwierig, bestätigt Meeresbiologe Simone Panigada: «Langsamer fahren läuft in den meisten Fällen den wirtschaftlichen Interessen der Reedereien entgegen.»
Dennoch zeigt sich der Walforscher überzeugt, dass Aufklärung ein Umdenken bewirken könne. «Wenn die Touristinnen und Touristen zwei Stunden später in Korsika ankommen und dabei wissen, dass dies zum Schutz der Wale geschieht, dann werden sie dies akzeptieren.» Für die Wale zumindest wäre es ein Segen.