Als David Lindenmayer kürzlich eine Studie über eine seltene australische Eidechsenart veröffentlichte, hatte dies unerwünschte Folgen: Die Landbesitzer am Fundort beobachteten, wie Unbefugte das Gelände durchstöberten.
Vielleicht um die wertvollen Tiere zu fangen und im illegalen Tierhandel zu Geld zu machen. Möglicherweise waren es auch nur Naturfreunde, die auf ihrer naiv-neugierigen Suche und beim Fotografieren die kostbaren Lebensräume zertrampelten.
Ayesha Tulloch, Umweltwissenschaftlerin an der Universität Sydney, kennt viele solche Geschichten. Wilderer und Tierliebhaber würden gezielt Forschungsstudien durchforsten, um danach die entsprechenden Habitate aufzusuchen: «Ich habe selber bisher keine negativen Erfahrungen gemacht. Aber ich kenne einige Kollegen, denen genau das passiert ist.»
Seltene Tiere bringen viel Geld
Für seltene Tiere – darunter Vögel oder Reptilien – würden auf dem Schwarzmarkt horrende Summen gezahlt. Ein australischer Schwarzer Kakadu etwa bringe 30'000 Dollar ein. Tierliebhaber seien schlicht stolz, die Tiere anschauen und Fotografien herumzeigen zu können. Auf sozialen Plattformen machten solche Mitteilungen in Windeseile die Runde.
Naturschutzbiologe David Lindenmayer hat daraus seine Konsequenzen gezogen. Er will keine Daten mehr veröffentlichen, die den Aufenthaltsort neu entdeckter Populationen verraten.
Ayesha Tulloch hat sich für einen anderen Weg entschieden. Daten öffentlich zu machen, könne auch Vorteile haben. Nur dank solcher Daten lerne man, welche Arten im Niedergang seien und was sie an Nahrung, Wanderkorridoren oder Brut- und Rastplätzen bräuchten.
«Diese Daten sind entscheidend, um die Aufwertung von Habitaten voranzutreiben», sagt die Umweltwissenschaftlerin. «Sie sind auch Grundlage für Entscheidungsträger in Verwaltung und Politik, wenn es darum geht, Lebensräume gefährdeter Arten zu schützen oder wiederherzustellen.»
Daten veröffentlichen oder nicht?
Vor- und Nachteile einer Veröffentlichung von Daten müssten genauso gegeneinander abgewogen werden wie die einer Nicht-Veröffentlichung. Ayesha Tulloch hat zusammen mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen so genannten Entscheidungsbaum entworfen.
Wie begehrt ist eine Tierart bei Wilderern? Ist sie vom Aussterben bedroht? Könnten andere Arten gefährdet werden, wenn das Habitat bekannt gemacht wird? Solche Fragen sollen den Forschern den Entscheid erleichtern, ob sie schreiben oder schweigen sollen.
Illegaler Tierhandel nutzt Forschungsdaten
David Lindenmayer hat seinen Glauben an das Gute – zumindest in gewissen – Menschen verloren. Der Australier fürchtet vor allem das organisierte Verbrechen, das sich im Tierhandel weltweit breitmacht.
Diese Händler gehörten zu den «Early Adoptern», die alle neuen verfügbaren Technologien sofort nutzten. Dazu gehörten auch die Datensätze, die Wissenschaftler online veröffentlichten: «Sie sind der Politik und den Wissenschaftlern weit voraus. Entscheidungsbäume mögen gut sein. Doch sie sind nur für gute Menschen. Wilderer und Tierhändler wird dies nicht kümmern.»
Auch in der Schweiz ist Wilderei ein Problem, wenn auch ein kleineres als in Australien. Aber die Schweizerische Vogelwarte Sempach, die mit ornitho.ch eine Beobachtungsplattform unterhält, ist vorsichtig.
Nicht alles, was Tierliebhaber dort posten, werde öffentlich gemacht, sagt Sprecher Livio Rey: «Für uns liefern die Meldungen der Tierbeobachter wichtige Daten. Für die Vogelschauer wiederum ist es ein Ort, wo sie sehen können, was gerade wo in der Schweizer Tierwelt läuft oder fliegt. Einige dieser Arten sind aber sehr sensibel und störungsanfällig. Deshalb machen wir die Meldungen über solche Arten nicht öffentlich.»
Wilderer sollen keine Hinweise auf gesichtete Wölfe oder Luchse erhalten. Natur-Enthusiasten sollten nicht erfahren, wo sich gefährdete Tiere wie Steinadler, Uhus, Hasel- und Auerhühner oder seltene Schmetterlinge aufhalten.
Tiere schützen, aber Kontakt ermöglichen
Dennoch: Der Schutz der Tiere gelingt nur, wenn der Beschützerinstinkt des Menschen geweckt wird. Dafür braucht es ein Minimum an Kontakt. Denn man kann nur lieben, was man kennt. Und man schützt nur, was man liebt.
Schweizer Naturschutzgebiete sind daher bewusst als Kontaktbörsen und Orte distanzierter Begegnung konzipiert. Hier kann der Mensch nach Tieren Ausschau halten, ohne ihnen auf den Pelz zu rücken. Diskret gelenkt und im Zaum gehalten – zum Beispiel durch natürlich wirkende und doch gezielt angelegte Wasserläufe und Dornenhecken.