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Natur & Tiere «Ein grosses, starkes Wesen, bei dem man sich geborgen fühlt»

Brigitte von Rechenberg bezeichnet sich selbst als süchtig nach Pferden. Sie ist nicht nur Professorin an der Pferdeklinik der Universität Zürich, sondern auch eine passionierte Reiterin und besitzt sieben Araberpferde. Was Frauen an Pferden so fasziniert, erklärt sie im Interview.

Zur Person

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Die 61jährige Professorin Brigitte von Rechenberg ist Expertin für Klein- und Nutztierchirurgie. Bekannt wurde sie auch mit einem Projekt zur elektronischen Vermessung von Sätteln bei Rennpferden. Frauenförderung ist ihr wichtig. Deshalb hat sie das Vet Net gegründet, eine Gruppe, die Wieder-einsteigerinnen in den Beruf unterstützt.

«Wissen & Digital»: Brigitte vom Rechenberg, gibt es zwischen der Pferdebegeisterung von Mädchen und der grossen Zahl von Tiermedizinerinnen einen Zusammenhang?

Ich glaube, es ist ganz einfach die weibliche Passion für Vierbeiner, für Hund und Katze und für Pferde. Vielleicht geben sich Männer oder Buben weniger in diese Passion hinein. Es ist ja kein Geheimnis, dass Männer mehr Schwierigkeiten haben, zu ihren Gefühlen zu stehen. Vielleicht suchen sie den Beruf weniger nach diesen Kriterien aus.

Warum gibt es heute immer mehr Veterinärinnen?

Früher war das Veterinärwesen auch Kraftsache, aber heute mit den modernen Beruhigungsmitteln wird man auch als Frau mit Grosstieren fertig. Zudem hat sich die Veterinärmedizin stark verändert: Als ich vor 40 Jahren Kleintiermedizin studierte, hat man uns belächelt, dass wir diese Disziplin in grossem Stil betreiben wollten. Heute ist Kleintiermedizin ein grosser Markt und einer der grössten Anteile bei uns in der Klinik. Die klassischen Betätigungsfelder Nutztiere wie Kühe und Schweine und Grosstiere hingegen sind zurückgegangen.

Ein anderer Grund, warum Frauen in der Überzahl sind, ist der, dass Männer dorthin gehen, wo es Macht, Geld und Ansehen gibt – das ist in der Veterinärmedizin leider nicht zu erreichen. Und dort, wo viele Frauen sind, gehen die Männer in der Regel nicht mehr hin. Das bedeutet einen Statusverlust des Berufes.

Sie selber sind pferdebegeistert und besitzen sieben Pferde. Wie sind sie aufs Pferd gekommen?

Ich bin eigentlich Kleintierärztin, Orthopädin und Chirurgin. Meine Abteilung, die ich gründete und betreibe, ist aber Teil der Pferdeklinik: Wir erforschen Pferdeprobleme und versuchen, Therapien zu entwickeln. Ich wollte schon immer Pferde haben, das war mein Traum von klein auf. Ich durfte aber von daheim aus nicht. Ich schwor meinem Vater, dass ich doch einmal Pferde haben würde. Das habe ich nach dem Studium erreicht und ich besitze jetzt sieben Araberpferde.

Schweifhaare eines Pferdes in einem Behälter an einer Halskette.
Legende: Andenken an ein geliebtes Ross: Schammars Schweifhaare in der Kette der Pferde-Expertin. SRF

Warum so viele?

Mein erster Araberwallach hiess Schammar. Der war so intelligent, der konnte sozusagen lesen und schreiben! Er gefiel mir so, dass ich auch noch seine Schwestern und Brüder kaufte – so geriet ich in diese Passion. Schammar starb als 24jähriger an einem akuten Herzversagen. Seine Schweifhaaare trage ich immer bei mir, in einer Kette um den Hals.

Viele Mädchen und Frauen haben Pferde sehr gern. Warum lieben Sie persönlich diese Tiere so sehr?

Ich glaube, dass es etwas gibt wie in der Musik bei Mozart oder Beethoven, das alle anspricht. Es gibt eine absolute Schönheit, die höher ist als alle kulturellen Unterschiede und die einen einfach packt. Das Pferd ist für mich so etwas Universelles: Die Gestalt und die Bewegungen sind so schön, dass es einen den Kick gibt, die Angst zu überwinden und auf ihm zu reiten. Und wenn man mal angefangen hat, dann ist es eine Krankheit, die bringt man nicht mehr weg. Dann ist man süchtig.

Welche Träume verbanden Sie als Mädchen mit Pferden?

Es war eine Mischung von Sehnsucht nach dem Galopp in die Freiheit und dem Wunsch nach Beziehung. Ich hatte immer Hunde. Die sind uns viel ähnlicher in der Art; sie sind Fleischfresser. Das Pferd aber ist ein Fluchttier: Man muss viel mehr bringen, um es zu verstehen. Pferde sind in ihrer ganzen Grösse unheimlich sanft, wenn man sie gut behandelt. Jedes Mal ist Reiten aber auch eine Mutfrage: Ich vertraue meine 50 Kilos einem 500 Kilo-Ross an – wer gewinnt wohl, wenn es darauf ankommt? Das Pferd wahrscheinlich. Diese Beziehung ist etwas ganz Spezielles.

Warum sind Frauen und Mädchen offenbar faszinierter als Männer?

Es ist wohl die Faszination per se. Und dann auch der Aspekt, für jemanden zu sorgen, jemanden lieb haben zu können, zu streicheln und zu pflegen.

Brigitte von Rechenberg reitet auf einem Pferd über eine Waldwiese.
Legende: In ihrem Element: Brigitte von Rechenberg beim Ausritt. SRF

Ich selber habe darüber hinaus eine psychologische Erklärung. Ich glaube, dass ein Pferd für Mädchen eine männliche Komponente hat, in dieser Zeit, wo man weder Fisch noch Vogel ist. In der fünften, sechsten Klasse finden einen Jungs doof und man selbst ist noch nicht fertig als Mädchen. Ich glaube, dass ein Pferd schön zum Anlehnen ist – in dieser sozusagen «ödipalen Phase» der Mädchen, in der man sich vom Vater löst, wenn man merkt, dass er schon von der Mutter besetzt ist. Das Pferd ist ein grosses, starkes Wesen, bei dem man sich geborgen fühlt.

Was fasziniert Mädchen besonders?

Es ist eine Sache des Gewissens und der Intelligenz: Sie müssen die Pferde verstehen, aber auch wissen, wann sie Stopp sagen und konsequent sein müssen. Und es ist auch eine Gefühlssache. Diese Kombination entspricht den Mädchen sehr gut. Sie vereint nach der Entwicklungstheorie von C.G. Jung Animus und Anima, die weibliche und die männliche Komponente einer Person. Darum sind Mädchen so gerne mit Pferden zusammen: Weil es eine wunderbare Kombination ist.

Was passiert in der Pubertät bei Mädchen? Da hören viele mit dem Reiten auf...

Nach der Pubertät, wenn sie den ersten Freund haben, hören sie auf. Dann haben sie diese und jene Beziehung, die schief geht und dann kommen sie oft wieder. Sehr häufig fangen sie in Lebenskrisen wieder an zu reiten.

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