Der Mineraliensammler Philippe Roth lässt es knacken. In seinem Arbeitszimmer spannt er ein unscheinbares Stück Stein in die Steinquetsche. Roth drückt den Hebelarm nach unten und eine Schneide aus Stahl sprengt den Stein in drei Teile. «Wenn wir Glück haben, bricht der Stein dort, wo wir es haben wollen. Wenn nicht, dann sind die darin enthaltenen Kristalle kaputt», schmunzelt er.
Die Mineralien, auf die es Roth abgesehen hat, sind winzig. In einem solchen Stück können sich Hunderte, wenn nicht Tausende von Kristallen verbergen. Er untersucht die Bruchstücke unter dem Mikroskop. Bei 40-facher Vergrösserung sind einige kunterbunte Strukturen zu sehen. «Nichts Spannendes», murmelt Roth und legt die Steine zur Seite.
Die Neuentdeckung aus den Glarner Alpen
Ein paar andere Stücke, die er vor einer Weile untersucht hat, waren interessanter. Die Ironie dabei: Diese Steine hatte er schon vor langer Zeit in den Glarner Alpen gesammelt. «Das Material hatte ich fast 20 Jahre lang im Keller. Erst in der Pandemie, als ich mehr Zeit hatte, habe ich das Mineral geknackt und genauer untersucht.» Dabei fielen ihm jene winzigen, giftgrünen Kristalle auf.
So sieht Heimit aus
Als ausgebildeter Erdwissenschaftler und ambitionierter Hobby-Sammler ist Roth gut ausgerüstet. Er verfügt über ein Rasterelektronenmikroskop mit Röntgenspektroskop. Damit lässt sich die chemische Zusammensetzung eines Minerals ziemlich genau bestimmen. Er fand heraus, dass die Kristalle eine Blei-Kupfer-Arsen-Verbindung sind. Dies deutete auf ein Mineral hin, das bereits bekannt war. Aber die Form dieser Kristalle passte nicht dazu.
Was ist eigentlich ein Mineral?
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Ein Mineral ist ein natürlich gewachsener Kristall. Das ist die einfachste Definition und trifft auf die allermeisten Mineralarten zu. Zwei Eigenschaften unterscheiden ein Mineral von allen anderen: Seine chemische Zusammensetzung und seine Kristallstruktur.
Zum Beispiel hat Pyrit (im Volksmund «Katzengold») die Formel FeS₂. Er besteht also zu einem Teil aus Eisen und zwei Teilen Schwefel. Pyrit bildet so genannt kubische, also würfelförmige Kristalle.
Die meisten Mineralien bestehen aus verschiedenen chemischen Elementen in einem bestimmten Mengenverhältnis. Aber es kommen in der Natur auch manche reine Elemente vor, so zum Beispiel Kohlenstoff in Form von Diamant.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie Kristalle entstehen können. Viele Mineralien kristallisieren aus flüssigem Gestein im Erdinnern oder aus heissen, übersättigten, wässrigen Lösungen. Es kommt aber zum Beispiel auch vor, dass ein Mineral aus einem anderen entsteht. Dies unter anderem durch Oxidation an der Luft.
Philippe Roth verschickte also Proben an die ETH Lausanne und an die Universität Hamburg. Dann kam der Bescheid: Tatsächlich hat er ein neues Mineral entdeckt.
Nun galt es, die Neuentdeckung offiziell zu machen. Dafür braucht es einen Antrag bei der International Mineralogical Association, dem Dachverband der Mineralogie. Dieser gab grünes Licht für das neue Mineral. Auch für dessen Namen, den Philippe Roth vorgeschlagen hatte.
Heimit
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Der kürzlich neu entdeckte Heimit ist eine Blei-Kupfer-Arsen-Verbindung mit der chemischen Formel PbCu2(AsO4)(OH)3⋅2H2O. Er bildet pistachegrüne, tafelige, so genannt monokline Kristalle. Bisher wurden nur Exemplare gefunden, die kaum ein Millimeter gross sind.
Entdeckt wurde Heimit zum ersten Mal in Gesteinsproben aus dem Grossen Chalttal in den Glarner Alpen. Mittlerweile wurde er aber auch an vier weiteren Fundstellen nachgewiesen.
Heimit weist eine Besonderheit auf, die laut seinem Entdecker Philippe Roth bisher von keinem anderen Mineral bekannt ist. Unter dem Elektronenstrahl des Rasterelektronenmikroskops wechselt seine Farbe von grün zu blau. Die Ursache dafür ist bisher unbekannt.
Ein neues Mineral wird getauft
«Früher hätte
ich das Mineral nach meiner Grossmutter nennen können. Das geht heute nicht mehr», grinst Roth. Der Name eines Minerals muss etwas mit dessen Zusammensetzung, Fundort oder mit Geologie allgemein zu tun haben. So fiel die Wahl auf Albert Heim, einen bedeutenden Schweizer Geologen. Das neue Mineral heisst Heimit.
Albert Heim – der Namensgeber
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Jacob Albert Heim (1849 – 1937) war Professor für Geologie an der ETH Zürich und ein umtriebiger Wissenschaftler. Einige der von ihm vertretenen Thesen sind zwar mittlerweile überholt. Dennoch hat Heim viel zum Verständnis der Alpenbildung und allgemein der Gebirgsbildung beigetragen. Dies auch, weil er anerkannte, dass es sich bei den Glarner Alpen um eine sogenannte Überschiebung handelt.
Nebenbei war Heim ein leidenschaftlicher Kynologe, der für die Anerkennung der Schweizer Sennenhunde als eigenständige Rassen sorgte. Ausserdem gilt Albert Heim als Begründer der Nahtodforschung. Nach einer eigenen Erfahrung bei einem Bergunfall befasste er sich als erster wissenschaftlich mit dem Thema.
Albert Heim war verheiratet mit Marie Heim-Vögtlin, der ersten praktizierenden Ärztin der Schweiz. 1874 eröffnete sie in Zürich eine eigene Praxis und arbeitete auch nach der Heirat mit Albert Heim weiter als Ärztin, was damals ganz und gar nicht üblich war.
Wer sucht, der findet – auf der Erde und anderswo
Mineralogische Neuentdeckungen sind gar nicht so selten, wie man meinen könnte. Bis zu 200 neue Mineralien werden jedes Jahr gefunden. Das habe mit den immer besseren Methoden zu tun, so Professor Beda Hofmann, Leiter der erdwissenschaftlichen Sammlung des Naturhistorischen Museums Bern. «Die Struktur von sehr kleinen Kristallen zu bestimmen, ist eine grosse technische Herausforderung. In den letzten Jahren wurden grosse Fortschritte gemacht. Heute werden Mineralien beschrieben, die vielleicht nur 1⁄100 Millimeter gross sind.»
Mit solchen Methoden wird gesucht – und gefunden. Auf der Erde, aber auch in ausserirdischem Material, den Meteoriten, Beda Hofmanns eigentlichem Hauptforschungsgebiet. «Die meisten Mineralien aus Meteoriten findet man auch auf der Erde. Aber es gibt auch eine ganze Reihe, die auf der Erde nicht vorkommen.»
Die Suche kann weitergehen. Es lohnt sich für die Sammler und Mineraloginnen immer wieder, genau hinzuschauen.
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