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Haben Affen einen Gerechtigkeitssinn?
Aus Wissenschaftsmagazin vom 04.03.2023. Bild: Anton Säckl
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 29 Sekunden.
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Enttäuschte Primaten Affen fehlt wahrscheinlich doch ein Sinn für Gerechtigkeit

Wir Menschen haben einen Sinn für Gerechtigkeit: Bei unfairem Verhalten reagieren wir ungehalten und Affen reagieren genau gleich. Doch heisst das, dass Affen auch einen Gerechtigkeitssinn haben? Eher nicht, sagt eine neue Studie.

Dieses Experiment eines Primatenforschers ging auf Youtube viral:Zwei Kapuzineraffen erhalten dieselbe Aufgabe, sie sollen einer Forscherin einen Kieselstein geben. Im Gegenzug gibt es eine Belohnung. Der erste Affe kriegt ein Stück langweilige Gurke, sieht jedoch, dass der zweite mit einer leckeren, süssen Traube belohnt wird.

Als der Affe beim zweiten Mal wieder nur Gurke erhält, wirft er das Gurkenstück zurück zur Forscherin – scheinbar empört über diese Ungleichbehandlung.

Das Publikum im Video lacht amüsiert, der Primatenforscher hat seine These anschaulich bewiesen: Affen haben einen Gerechtigkeitssinn.

Die Beziehung zum Menschen

Das Video ist mittlerweile einige Jahre alt, doch der Gerechtigkeitssinn der Affen blieb bei vielen Menschen hängen, die nicht in diesem Bereich forschten. Stefanie Keupp, wissenschaftliche Mitarbeiterin am deutschen Primatenzentrum in Göttingen ist skeptischer: «Die Behauptung, dass Affen ein Gerechtigkeitsempfinden haben, kommt mit ganz schön viel psychologischen Voraussetzungen einher. Ich bin nicht überzeugt, dass Affen diese wirklich mitbringen.» Sie glaubt viel mehr, dass die Affen enttäuscht waren über die Versuchsleiterin.

Auf dem Bild ist ein Affe in einem Experiment zu sehen.
Legende: Ein Langschwanzmakak (Macaca fascicularis) bedient im Experiment einen Hebel, um belohnt zu werden. In den roten Karussellen werden hochwertige Belohnungen (Traube) und minderwertige Belohnungen (Peperoni) präsentiert. Teilt ein Mensch dem Affen Peperoni zu, reagiert er frustriert, nicht jedoch, wenn die Belohnung automatisch zugeteilt wird. Jana Wilken / Rowan Titchener / DPZ

Keupp und weitere Forscherinnen und Forscher haben deshalb ein ähnliches Experiment durchgeführt wie im besagten YouTube Video, sich dabei aber auf die Beziehung zwischen Affen und Versuchsleiterin konzentriert. Ihre These: Der Affe erwartet von der Versuchsleiterin, die er schon von früheren Interaktionen kennt, dass sie ihn gut behandelt und ihm die bessere Belohnung gibt. Ist das nicht der Fall, ist er enttäuscht und nimmt deshalb die Belohnung nicht an.

Mensch gegen Maschine

Um diese Enttäuschungsthese zu testen, griff das Team zu einem Trick: Statt von einem Menschen erhielten die zwölf Versuchs-Makaken in der Hälfte der Tests die Belohnung von einer Maschine.

Und tatsächlich: Erhielten die Affen das unbeliebte Futter von einem Menschen, reagierten sie enttäuscht. In diesem Fall verweigerten sie das schlechte Futter viel häufiger, als wenn es von der Maschine kam.

Man hat noch nie einen besser behandelten Affen gesehen, der etwas geteilt hätte.
Autor: Stefanie Keupp Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Primatenzentrum Göttingen

Für Stefanie Keupp zeigt dieses Experiment, dass das Verhalten von Affen durch Beziehungen geprägt ist. In diesen können sie enttäuscht werden – genau wie wir Menschen auch. Andere menschliche Verhaltensweisen würden Affen und Menschen aber nicht teilen: «Man hat beispielsweise noch nie einen besser behandelten Affen gesehen, der etwas geteilt hätte.» Dieser Perspektivwechsel wäre jedoch entscheidend, um ein moralisches Verständnis nachzuweisen: «Wenn ich mich ungerecht behandelt fühle, weil ich weniger kriege, dann muss ich verstehen, dass der andere mehr kriegt, sich dessen bewusst ist und deswegen auch Ungerechtigkeit empfindet.»

Affen reagieren also enttäuscht, wenn sie von ihrem Gegenüber ungerecht behandelt werden. Ihnen deshalb einen Gerechtigkeitssinn zuzutrauen, das ist für die Forschenden jedoch reine Spekulation.

Wissenschaftsmagazin, 04.03.2023, 12:40 Uhr

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