Surferparadies Lacanau am atlantischen Ozean: Bei starker Flut prallt die Brandung auf den sieben Meter hohen Deich. «Ohne die Schutzmauer wäre die Uferpromenade mit ihren Appartementhäusern, Cafés und Boutiquen in Gefahr», sagt Martin Renard.
Der Geograf und Raumplaner zeigt auf das Ende der Befestigung: «Hier frisst sich das Meer tief ins Land hinein. Die Häuserzeile entwickelt sich zur Halbinsel.»
Beim Bürgerforum diskutieren Einwohner und Fachleute jedes Jahr über die Zukunft ihrer Stadt angesichts der Erosion. «Ein Deich genügt nicht, das Rathaus muss jetzt sanft den Rückzug einleiten», sagt eine Frau.
Ein Mann fordert hingegen die Verteidigung des Badeorts. «Frankreich hat so viel Küste. Wenn wir nicht eingreifen, werden sich die Holländer lustig machen. Die jedenfalls halten stand.»
Ein Deich ist keine Dauerlösung
Bürgermeister Laurent Peyrondet erinnert an den Schock nach den Winterstürmen des Jahres 2014. «Der Deich war zerschmettert, alle Prognosen waren über den Haufen geworfen: Die Erosion war so weit fortgeschritten, wie es die Experten erst für 2040 erwartet hatten.»
Damals hat die Stadt in aller Eile einen neuen Deich gebaut. «Aber auch dieser kann die Strandpromenade nicht dauerhaft retten», warnt der Bürgermeister.
Inzwischen gilt Lacanau als Vorreiter in Sachen Küstenverwaltung. Als erste Stadt Frankreichs hat Lacanau einen Aktionsplan entwickelt. Zuerst einmal wird geforscht: Ingenieure vermessen das Ufer, filmen es mit Drohnen, suchen den Meeresboden mit Sonargeräten ab, verzeichnen kleinste Veränderungen der Sandbänke.
«Eines Tages müssen wir weg»
Stadtrat Hervé Cazenave ist im Rathaus für die Küste verantwortlich. «Die strandnahen Viertel sind das ökonomische Herz der Stadt», sagt er. «Das Leben geht weiter, aber wir sollten darauf gefasst sein, dass wir eines Tages fortgehen müssen.»
Um vorausschauend zu planen, hat Lacanau eine Ausschreibung des Umweltministeriums angenommen und Szenarien entwickelt, wie sich die Stadt mittelfristig gegen die Erosion wappnen kann.
Eine Kommission spielte dabei den so genannten strategischen Rückzug durch. Überlegte, wie Lacanau mehr als tausend Wohnungen und rund hundert Geschäfte aufkaufen, abreissen und das Ufer an die Natur zurückgeben könnte. Geschätzte Kosten: 300 bis 600 Millionen Euro – Summen, die Lacanau mit seinen 4‘500 Einwohnern unmöglich schultern kann.
Ohne den Staat geht nichts
Das radikale Planspiel hat den kleinen Badeort im In- und Ausland bekannt gemacht. Das Umweltministerium hat allerdings nicht auf die von ihm bestellte Studie reagiert. «Heute ist nichts beschlossen», bedauert Cazenave.
Bevor die Einwohner eines Tages zwischen Verteidigung und Rückzug wählen könnten, müsse der Staat handeln. Es gilt, Gesetze erlassen, die es überhaupt erst erlauben, tätig zu werden.
«Die Behörden müssen entscheiden, wer zur Kasse gebeten wird: Die Betroffenen selbst? Versicherungen? Vielleicht ein spezieller Fond? Das ganze System muss auf die Beine gestellt werden.»
Trotzdem will das Rathaus jetzt schon ein Zeichen setzen. «Wir werden den grossen Parkplatz und die zentrale Rettungswache auf der Meerespromenade beseitigen», sagt Cazenave.
Dadurch will Lacanau Platz gewinnen. Möglicherweise für einen neuen, höheren Deich. Oder aber, um das Ufer eines Tages dem Ozean zu überlassen.