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Erst entdeckt, schon bedroht Neue Singvogelarten auf fernen Inseln entdeckt

Vögel sind die am besten erforschte Tiergruppe. Besser erforscht als beispielsweise die Säugetiere. Trotzdem sind auf drei kleinen, sehr entlegenen indonesischen Inseln nun fünf neue Singvogelarten und fünf neue Unterarten aufgetaucht.

Das Forscher-Team um Frank Rheindt von der Universität Singapur musste weit hinaufsteigen um diesen unterwartet grossen gefiederten Schatz zu entdecken – in die Bergwälder der Wallacea-Inseln Taliabu, Peleng und Togian.

Er habe die Inseln schon länger im Auge gehabt, sagt Ornithologe Frank Rheindt. Doch dass er innerhalb weniger Wochen so viele neue Arten entdecken würde, habe ihn dann doch sehr überrascht.

Frank Rheindt

Ornithologe

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Frank Rheindt ist Ornithologe. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Evolution und Populationsgenomik von Vögeln. Er ist Associate Professor an der Universität Singapur.

SRF: Waren Sie sehr überrascht über ihren Fund?

Frank Rheindt: Ja. Man kennt 98 bis 99 Prozent aller Vogelarten. Dennoch gab es da weit draussen einen Flecken Erde, an dem wir fünf neue Arten und fünf neue Unterarten von Singvögeln entdecken konnten. Dass es so etwas im 21. Jahrhundert auf diesem Planeten noch gibt, das war das Verwunderliche an dieser Entdeckung.

Was zeichnet diese neu entdeckten Singvögel denn aus?

Wir haben eine ganze Reihe von Vogelarten neu entdeckt: Honigfresser, die unauffällig singen, aber ein prächtig rotes Gefieder haben. Wir haben auch neue Schwirle und Laubsänger entdeckt. Das sind unscheinbare Arten, die jedoch ganz einzigartige Gesänge haben. Da ist zum Beispiel der sogenannte Taliabu Grashüpfer-Schwirl. Der zeichnet sich durch einen heuschreckenartigen Gesang aus, der gar nicht nach einem Vogel klingt.

Dieser Schwirl ist sehr scheu. Ich habe ihn schon Tage zuvor gehört, bevor ich ihn endlich zu Gesicht bekam. Das hat mich viel Herzblut gekostet. Als ich ihn dann sah, war das ein sehr freudiger Moment.

Warum sind Vögel eigentlich die am besten erforsche Tiergruppe?

Vögel sind sehr optische und akustische Tiere. Viele Vogelarten sind sehr bunt. Man sieht sie sehr einfach in der Natur. Es gibt auch Arten, die nicht so bunt sind. Diese Arten erkennt man dafür sehr leicht an ihrem Gesang. In Europa gilt dies zum Beispiel für die Nachtigall, die unauffällig aussieht, aber einen der schönsten Gesänge hat.

Bei den Vögeln ist es oft so: Die hässlichen Arten haben einen schöneren Gesang und die schöneren Arten einen hässlicheren Gesang. Das dient der sexuellen Selektion durch die Weibchen.

Warum haben sie ausgerechnet auf den Wallacea-Inseln Taliabu, Peleng und Togian nach neuen Vogelarten gesucht?

Das hat mit der Meerestiefe zu tun. In den letzten anderthalb Millionen Jahren gab es etwa 20 Eiszeiten. In den Eiszeiten bildeten sich an den Polen sehr grosse Eisblöcke und der Meeresspiegel sank jeweils um bis zu 120 Meter.

Inseln, die von seichtem Meer umgeben sind, waren damals mit dem Festland verbunden. Tiere und Menschen sind vom asiatischen Festland Richtung Borneo, Java und Sumatra gewandert. Daher sehen wir heute auf Sumatra Tiger, auf Java Leoparden und auf Borneo Orang-Utans wie auf dem Festland.

Die von tiefer See umgegebenen Inseln standen hingegen während der Eiszeiten nicht mit dem Festland in Verbindung. Auf solchen Inseln finden wir wirklich spezielle Arten, so genannte endemische Arten, die es nur auf diesen Inseln gibt. Wie eben diese Singvögel auf Taliabu, Peleng oder Bataduka.

Wie sieht es denn heute auf diesen drei Inseln aus?

Auf diesen Inseln ist die Waldrodung leider schon sehr weit fortgeschritten. Das ist eine grosse Gefahr für die dort heimischen Arten. Doch selbst wenn die Rodung stoppte, ginge es vielen der neuen Vogelarten sehr schlecht. Alle sind sie Bergwaldbewohner. Im Rahmen des Klimawandels steigen die Vegetationszonen immer weiter hinauf. Das heisst, irgendwann können diese Vögel nicht mehr weiter nach oben ausweichen.

Zudem gab es auf Taliabu in den letzten zwei Jahrzehnten einige der grössten Brände seit Menschengedenken. Das ist zweifelsohne auf den Klimawechsel zurückzuführen. Solche Episoden wird es in Zukunft häufiger geben. Ich glaube, das Jahr 2019 hat fast dem letzten Menschen auf diesem Planeten klargemacht: Die Umweltkrise auf unserer Erde ist sehr ernst.

Das Gespräch führte Katharina Bochsler.

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