Für viele Hunde ist Spielen das Grösste. Doch bei manchen wird aus Spass Ernst. Sie fixieren sich so sehr auf ihren Ball oder ihr Lieblingsspielzeug, dass alles andere in den Hintergrund rückt: Futter, soziale Interaktion oder sogar Ruhepausen.
Forschende der Universität Bern und der Veterinärmedizinischen Universität Wien haben erstmals wissenschaftlich untersucht, ob bei Hunden im Extremfall sogar suchtähnliche Tendenzen auftreten – ähnlich wie bei Menschen beim Gaming oder Glücksspiel.
In der vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Studie wurden 105 Hunde verschiedener Rassen getestet, die allesamt sehr gern spielen. Das Ergebnis: Rund ein Drittel von ihnen zeigte deutliche Anzeichen für suchtähnliches Verhalten.
Spielen bis zur Erschöpfung
Im Spiel merkten diese Hunde selbst nicht mehr, wann es tatsächlich genug sei, erklärt die Wiener Studienleiterin Stefanie Riemer. Es bestehen Ähnlichkeiten zu Verhaltenssüchten beim Menschen: starkes Verlangen, fehlende Kontrolle und das Weiterspielen trotz negativer Konsequenzen. Manche Hunde ignorieren Futter oder spielen bis zur Erschöpfung – ein typisches Suchtkriterium.
So haben diese Hunde alles versucht, um irgendwie an ihr Spielzeug zu kommen, auch wenn es unerreichbar in einer Box oder auf einem Regal war. Sie bellten, liefen hektisch im Raum auf und ab oder stellten sich an der Wand unter dem Spielzeug auf.
Hohe Spielmotivation ist nicht gleich Sucht.
«Zwei Hunde schafften es sogar, eine beschwerte und verschlossene Box aufzubeissen, um an ihren Ball zu kommen», sagt Riemer. Doch damit nicht genug: Nach dem Spiel beruhigten sich diese Tiere nicht mehr innerhalb von 15 Minuten. Das bedeutet auf Dauer Stress und ist ungesund. Denn ihre Herzrate blieb weiterhin sehr hoch.
Besonders Schäferhunde fielen bei den Tests auf. Hier spielt jedoch die Zucht eine wichtige Rolle. Denn die Hunde wurden gezielt auf Beharrlichkeit und Fokus selektioniert – Eigenschaften, die beispielsweise für die Arbeit im Polizeidienst gefragt sind, aber im Alltag problematisch werden können.
Überraschend war, dass die als spielfreudig geltenden Border Collies und Labradore nur selten zur Gruppe «Balljunkies» gehörten. Sie bringen den Ball zwar auch zur Bezugsperson immer wieder zurück, haben aber nicht zwingend ein Problem damit, wenn das Spiel wieder aufhört.
«Hohe Spielmotivation ist nicht gleich Sucht», betont Riemer. Erst wenn der Hund nicht mehr loslassen könne, werde es kritisch. Die Wiener Verhaltensforscherin empfiehlt, ganz generell auf repetitives Ballwerfen zu verzichten. Besser wäre es, auf kooperatives Spiel wie Zerr- oder Suchspiele zu setzen und auch die Erregungskurve des Hundes im Auge zu behalten.
Riemer sammelte auch eigene Erfahrungen mit ihrem Russischen Toy Terrier, den sie mit sieben Monaten adoptierte und der den Tennisball über alles liebte. Die ausgeprägte Ball-Leidenschaft ihres Hundes nutzt sie inzwischen als cleveren Trainingstrick: Statt Enten hinterherzujagen, wartet er lieber auf seinen geliebten Tennisball.