Elefanten, Löwen, Nashörner: Selbst diese Riesentiere sind nur ein kleiner Abklatsch dessen, was vor einigen zehntausend Jahren durch Savanne und Dschungel stapfte. Die Giganten der Tierwelt, wie das Mammut, sind heute ausgestorben.
Die grössten Mammuts wogen vor 50'000 bis 100'000 Jahren zehn Tonnen – mehr als das Doppelte eines heutigen Elefanten.
Ein Gürteltier war so gross wie ein Auto
Es gab acht Tonnen schwere Riesenfaultiere – und so genannte Glyptodons. «Das sind meine Lieblinge», sagt die amerikanische Paläonthologin Felisa Smith, die an e iner Studie über die Grössenveränderungen von Säugetieren mitgearbeitet hat, die vor Kurzem im Magazin «Science» erschienen ist. «Glyptodons waren kolossale Gürteltiere, gross wie ein VW-Käfer.»
Endeten die Giganten als Steaks?
Mithilfe versteinerter Knochenfunde aus aller Welt verschaffte Felisa Smith sich eine Übersicht darüber, welche Arten in welcher Erdepoche zu finden waren und wann sie ausgestorben sind.
Vor hunderttausenden Jahren begann eine Entwicklung, die bis heute andauert: Die grossen Tiere verschwanden und die Kleinen blieben mehrheitlich übrig. Insgesamt haben die Säugetiere gegenüber früheren Zeiten enorm an Gewicht eingebüsst. In Südamerika zum Beispiel ist das Durchschnittsgewicht von Tieren um 90 Prozent zurückgegangen. Doch weshalb?
Dieser Frage ging Felisa Smith nach – und in ihr keimte ein für den Menschen unangenehmer Verdacht. Denn vor 1,8 Millionen Jahren entwickelten unsere Vorfahren grossen Appetit auf Fleisch und begannen sich gleichzeitig über den Globus auszubreiten.
«Hatte diese räumliche Expansion und die neue Liebe zum saftigen Steak vielleicht negative Konsequenzen für die Tierwelt?», fragten sich Felisa Smith und ihr Forscherteam. Anders gefragt: Haben unsere Vorfahren die grossen Tierarten aus Fleischeslust ausgerottet?
Wo der Mensch hinkommt, verschwinden die Riesen
Felisa Smith und ihr Team fanden im Fossilienmuster deutliche Indizien: Wo immer unsere Vorfahren hinkamen, verschwanden die grossen Tierarten. Zuletzt geschah dies in Amerika. Der Mensch erreichte es vor etwa 15'000 Jahren – ausgestattet mit einer neuen, tödlichen Jagdwaffe, dem Speer.
Kaum 1000 Jahre später gab es in Amerika kein Riesenfaultier und kein Glyptodon mehr. Das Durchschnittsgewicht aller lebenden Säugetiere schrumpfte von 100 Kilogramm auf unter 10. «Zurück blieb ein verarmtes Ökosystem», sagt Felisa Smith.
Um das Klima als Faktor auszuschliessen, hat sie die Aussterbewelle der Giganten über die Jahrtausende mit Klimaschwankungen abgeglichen. Sie fand keine Übereinstimmungen. Wechselte das Klima, wanderten die Tiere in angenehmere Gegenden. Vor dem Menschen aber war Flucht sinnlos.
Tödliche Jäger, tödliche Bauern
Der Paläonthologe Marcelo Sanchez von der Universität Zürich bezweifelt, dass der Appetit des Menschen allein für den Untergang der Giganten verantwortlich ist. Es habe wohl mehrere Gründe gegeben, darunter auch dieser: «Der Mensch hat nicht nur gejagt, sondern auch die Landschaft stark verändert, als er in immer neue Gegenden gezogen ist.» Man könne sich den Menschen als invaisve Art vorstellen, sagt Sanchez.
Als der Mensch den Globus besiedelte, fackelte er Wälder ab, legte Felder an, pflügte die Landschaft um und entzog damit den Giganten die Lebensgrundlage. Es seien also wohl nicht nur die Jäger schuld, sondern auch die Bauern.
Warum aber erlagen ausgerechnet die Riesen und Muskelprotze unter den Säugetieren diesem invasiven Zwerg namens Mensch? Die grosse Tiere lebten länger und pflanzten sich langsamer fort, erklärt Marcelo Sanchez: «Daher waren sie anfälliger dafür, auszusterben, als kleine Tiere, deren Bestand sich rascher regeneriert.»
Ganze Ökosysteme verschwinden
Das Verschwinden der Giganten hatte einschneidende Auswirkungen auf die Ökosysteme. Denn die Riesen lebten buchstäblich auf grossem Fuss, sagt Felisa Smith: «Schon ein Elefant verdichte durch sein Gewicht den Boden. Stellen sie sich vor, wie ein Mammut – schwer wie ein Bagger – die Erde zurückliess.»
Auch sonst gestalteten die Urzeit-Giganten die Umwelt: Sie rissen Bäume aus und machten Wälder zu Savannen. Sie verteilten mit ihren Kotmassen Unmengen an Dünger, Samen und kreiierten so ganze Ökosysteme.
Am Ende bleibt: die Kuh
Heute kann man nur in Afrika, wo einige «Gigäntchen» übriggeblieben sind, noch erahnen, wie es einst gewesen ist. Aber auch das vielleicht nicht mehr lange, warnt Felisa Smith.
Sie hat auch analysiert, wie es um die grössten Säugetiere heute steht. Ihre Prognose: Die grossen Tiere werden weiterhin am häufigsten aussterben. «Das grösste Tier in einigen hundert Jahren wird die Kuh sein, wenn wir den Aussterbe-Trend nicht stoppen.»
Den Platz der heute noch existierenden Grossen werden die Kleinen einnehmen, vor allem Nagetiere. Weil der Mensch nicht nur ein eifriger Bauer und Jäger ist, sondern auch ein emsiger Fischer, spielt sich im Meer ein ähnliches Szenario ab.
Geht es weiter so, so herrscht bald ein Triumvirat über die Erde: Ratten, Quallen und der Mensch.