Andreas Rigling, Forscher an der eidgenössischen Forschungsanstalt WSL, stapft durch einen Wald bei Bremgarten (AG). Er und seine Mitarbeiter haben hier letzten Sommer Bäume markiert, denen die Trockenheit stark zugesetzt hatte.
«Die Frage war: Sind die Bäume, die braun sind, abgestorben? Wir wussten es nicht», sagt Rigling. «Ein solches Phänomen konnten wir in diesem Ausmass noch nie beobachten.»
In vier Kantonen haben die WSL-Forscher 1000 Bäumen markiert. Einer davon ist Buche Nummer Vier, vor der wir nun stehen.
Unten grün, oben tot
«Im unteren Drittel sind die Blätter ausgetrieben, saftig grün», beschreibt der Forscher den Zustand des Baums. «Aber in den oberen zwei Dritteln tragen nur einzelne Äste Laub, und der Grossteil der Krone ist abgestorben.»
Andere Bäume haben Risse in der Rinde. Dort können Krankheitserreger eindringen. Wieder andere hätten sich etwas erholt, sagt Andreas Rigling: «Es ist noch relativ früh im Jahr. Wir müssen sehen, wie sich das entwickelt.»
Der Regen der letzten Wochen habe den Bäumen geholfen. Wird der Sommer aber wieder sehr trocken, überleben ihn manche wohl trotzdem nicht. Auch Buche Nummer Vier nicht.
Nach der Fichte nun die Buche
Buchenwälder galten als sehr robust – bis der Sommer 2018 dieses Bild korrigierte, so Rigling: «Die massiven Schäden zeigen, dass auch diese Baumart an ihre Grenzen stossen kann.»
Von der Fichte ist schon länger bekannt, dass sie in Teilen des Mittellandes wegen der Klimaerwärmung und dem Borkenkäfer wohl keine Zukunft hat. Nun wird auch die Buche zum Sorgenkind.
Offenbar setzt den Bäumen die Häufung von extremen Wetterereignissen zu: Bereits 2003, 2011 und 2015 gab es massive Trockenperioden. Die Bäume konnten kaum Reserven anlegen.
Trockenheit, Frost und Stürme
Dazu kamen andere Wetterextreme wie starker Frost im Frühling. Wenn die frischen Blätter erfrieren, schwächt das die Bäume zusätzlich.
Auch Stürme können mehr Schäden bewirken, als bisher angenommen. «Wir gehen davon aus, dass ein starker Sturm die Feinwurzeln der Bäume schädigt», sagt Andreas Rigling. Diese seien wichtig für die Wasser- und Nährstoffaufnahme.
Wenn sich die Klimaszenarien bestätigen und dürre Sommer normal werden, werde es für die Buche an trockenen Standorten eng, befürchtet der WSL-Forscher.
Wie sollen die Wälder in 100 Jahren aussehen? Aus welchen Baumarten sollen sie bestehen?
Das Tempo, mit dem sich das Klima verändert, sei für alle Bäume ein grosses Problem. «Es kommen auch Krankheiten hinzu, wie bei der Esche», so Rigling. «Wir müssen uns überlegen: Wie sollen die Wälder in 100 Jahren aussehen? Aus welchen Baumarten sollen sie bestehen?»
Wer füllt die Lücken?
Als Ersatz kommen etwa Eichenarten in Frage, die besser mit Wärme und Trockenheit zurechtkommen.
Manche Forstfachleute wollen Baumarten aus dem Mittelmeerraum einsetzen. Andreas Rigling mahnt aber: «Diese Bäume sind zwar gut an Trockenheit angepasst, aber nicht an Frost.» Trotz Klimawandel müsse man auch in Zukunft mit Spätfrost oder sehr tiefen Wintertemperaturen rechnen.
Die Forstwirtschaft plagen auch finanzielle Sorgen: Nach dem Dürresommer 2018 mussten viele Bäume gefällt werden. Das führte zu tiefen Holzpreisen – Geld, das für den Umbau der Wälder fehlen könnte.
Wie schnell ein Umbau nötig wird, zeigt ein Beispiel aus Tschechien, wo Fichtenwälder dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen sind. Dort mangelt es an alternativem Saatgut, etwa für Eichen oder Weisstannen.
Bäume waren bis anhin ein Symbol für Beständigkeit – in Zeiten des schnellen Klimawandels scheint aber auch das nicht mehr zu gelten.