Zum Inhalt springen
Delfine in türkisem Wasser, im Hintergrund eine Küste
Legende: Die Delfine in der australischen Shark Bay bleiben ein Leben lang in der Bucht. Universität Zürich / Simon J. Allen

Freunde fürs Leben Delfine sind noch viel intelligenter und sozialer als gedacht

Delfine sind schlau – das ist bekannt. Doch nun hat die Forschung noch mehr über das komplexe Zusammenleben der Meeressäuger herausgefunden.

Am westlichsten Punkt Australiens befindet sich eine geschützte Meeresbucht namens Shark Bay, die Haibucht. Anders als es der Name vermuten lässt, ist dieser Ort ein Paradies für Delfine – und das Studienobjekt von Michael Krützen.

Er ist Professor für Anthropologie und Evolutionsbiologie an der Universität Zürich: «Das Spannende an der Shark Bay ist, dass weder Männchen noch Weibchen Abwanderungstendenzen zeigen. Sie bleiben von Geburt an hier und wir können sie ein ganzes Leben lang begleiten.»

Schwarm Delfine in klarem Wasser
Legende: Tausende Delfine leben in der Bucht in einem komplexen sozialen System. Universität Zürich / Simon J. Allen

Freunde fürs Leben

Hunderte, ja Tausende von Delfinen tummeln sich im klarblauen Wasser der Shark Bay. Michael Krützen und sein Team haben nun eine kleine Gruppe von 17 männlichen Delfinen genau untersucht. Schon aus früheren Untersuchungen wussten sie, dass Delfinmännchen sich sehr eng befreunden können.

Aber nicht nur das: «Wir wissen, dass sich diese Freundschaften sehr früh entwickeln, sie entwickeln sich sozusagen schon im Kindesalter. Das ist sehr spannend, man kann sie wirklich ‹Freunde fürs Leben› nennen.»

Vor allem in einer Situation ist das existenziell wichtig: bei der Paarung. Zwei oder drei eng befreundete Delfinmännchen tun sich dafür zusammen, entführen das Weibchen und begatten es dann einer nach dem anderen.

Was nach einer Delfin-Vergewaltigung klingt, ist für die Tiere überlebenswichtig: Delfine pflanzen sich nur sehr langsam fort – um die paarungsbereiten Delfinweibchen herrscht also grosse Konkurrenz.

Delfine haben unverwechselbare «Stimmen»

Enge Freundschaften wie bei den Delfinen kommen auch bei Vögeln, Affen oder Elephanten vor. Normalerweise, so Michael Krützen, gleichen Tiere dann aber ihren Ruf einander an.

Bei den australischen Delfinen hingegen ist das anders: «Ihre Rufe, Pfiffe gleichen sich nicht an, sie bleiben unverwechselbar wie Namen.»

Dieser Name besteht aus einer ganz individuellen Melodie, die ein Delfin in so hohen Tönen pfeift, dass das menschliche Ohr sie kaum wahrnehmen kann. Die Wissenschaftler haben für die Aufzeichnung deshalb spezielle Unterwassermikrofone verwendet. Warum aber besitzen Delfine diese Eigenheit, dass sie ihren Ruf nicht jenem der engsten Freunde angleichen?

Freunde in der Not

Michael Krützen hat eine Vermutung: «Delfine arbeiten zusammen wie auch Menschen. Es ist schon passiert, dass für eine Gruppe eine Art Verstärkung kam, wir nennen das: ‹Die Kavallerie kommt rein›. Und die sind gerufen worden von den Männchen. Natürlich ist es für die, die kommen, wichtig, zu wissen, von wem sie gerufen werden.»

Ein Delfinschwarm springt aus dem Wasser
Legende: Ein Delfinschwarm kommt zur Verstärkung. Universität Zürich / Simon J. Allen

Delfine können in Not also quasi Freunde von Freunden zur Verstärkung herbeirufen – und zwar aus einer enorm grossen Menge an anderen Delfinen, die in der australischen Meeresbucht herumschwimmen.

«Deshalb glauben wir, dass es für die Delfine in der Shark Bay sehr wichtig ist, dass sie ihre eigenen Namen, ihre eigenen Pfiffe behalten, weil die Sozialstruktur so komplex ist. Da hilft ein eigener Name genauso wie beim Menschen», so Krützen. Delfine leben also auf viel komplexere Art und Weise zusammen als bisher gedacht.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 8.6.2018, 6.50 Uhr

Meistgelesene Artikel