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Musikalischer Grönlandwal Die Jazzer unter den Walen

Sie können bis zu 200 Jahre alt werden und besitzen das grösste Maul aller Lebewesen. Nun seien die Grönlandwale auch virtuose Sänger, sagen Forscher.

Die Arktis ist kein gemütlicher Ort. Schnee und Eis soweit das Auge reicht, es weht ein bitterkalter Wind. Was für die einen wie eine Eiswüste aussieht, ist für Kate Stafford eine Spielwiese. «Hört man sich an, was unter diesen Eismassen passiert, offenbart sich eine völlig neue Welt», sagt die Ozeanologin. «Erst dann macht sich die Schönheit und Biodiversität der Arktis bemerkbar.»

Stafford erforscht seit vielen Jahren das überraschend rege Leben im eiskalten Wasser des arktischen Meeres. Dazu installierte sie in den Jahren 2010 bis 2014 jeweils während der dunklen Wintermonate ein Unterwassermikrofon vor der Ostküste Grönlands - und belauschte dabei den Gesang der Grönlandwale.

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Grönlandwale – Improvisationskönige im Tierreich
aus Wissenschaftsmagazin vom 07.04.2018. Bild: Image: Public Domain
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 3 Sekunden.

Als Stafford und ihr Team die vielen Stunden Tonmaterial ausgewertet hatten, stellten sie fest: die Tiere singen auf unerwartet vielfältige Weise. «Grönlandwale erzeugen viele verschiedene Songs während eines einzigen Winters - und im nächsten Winter singen sie bereits wieder neue», sagt die Forscherin.

Virtuose Sänger im Tierreich

Mehr als 180 verschiedene Gesänge konnte ihr Team während drei Wintern aufzeichnen. Die meisten davon sangen die Wale nur während einiger Stunden oder Tage, dann variierten die Tiere die Klänge bereits wieder. Das macht sie mit zu den musikalischsten Tieren überhaupt. Nur einige Vogelarten sind ähnlich improvisationsfreudig wie die Grönlandwale.

Warum die Grönlandwale ihren Gesang so oft variieren, wisse sie nicht, sagt Stafford. Vermutungen aber hat die Forscherin. Die meisten Gesänge konnte ihr Team während der Paarungszeit aufnehmen. «Möglicherweise signalisierten die Männchen ihren Mitbuhlern singend, wie fit und angesehen sie sind», sagt Stafford. «Die Weibchen hören allenfalls mit und suchen sich so den besten Vater für ihren Nachwuchs aus.»

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Legende: Variiert seine Gesänge so oft, dass Forscher ihn als den Jazzer unter den Walen bezeichnen: der Grönlandwal. Getty Images

Eine weitere Erklärung für die überraschende Musikalität vermutet die Froscherin in der Individualität der Grönlandwale. Im arktischen Meer hätten sie kaum Konkurrenz durch andere «zahnlose» Bartenwale und müssten sich darum klanglich nicht zwingend von anderen Wal-Arten unterscheiden.

Spass am Singen und am Klang

«Die Population vor der Ostküste Grönlands hat keine Konkurrenz durch andere Wal-Arten, die sich, wie sie, von Plankton ernähren», sagt Stafford. So seien die geschätzt 200 Tiere dieser Population nicht so sehr darauf angewiesen, sich gegenseitig an einem sehr individuellen Gesang erkennen zu müssen. Das könnte den Tieren mehr Freiheit geben, ihren Gesang zu variieren, so Stafford.

Oft habe sie aber auch den Eindruck, die Grönlandwale würden sich auch einfach freuen über ihre Singkünste. Eine Freude, die Stafford ihren Forschungsobjekten gut nachempfinden kann. Sie selber spiele zwar kein Instrument, wäre aber gern ein wenig musikalisch, was ihr auch bei der Auswertung ihrer Aufnahmen der Grönlandwale helfen würde.

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