Die Arsen-Risikogebiete in China erstrecken sich auf einer Fläche von 580‘000 Quadratkilometern; das entspricht der 14-fachen Fläche der Schweiz. Sie sind über verschiedene Provinzen verteilt (siehe Karte oben). Hier erwarten die Forscher Arsen-Werte über zehn Mikrogramm, dem Grenzwert der WHO. «Unser Modell stimmt mit zirca 75 Prozent Wahrscheinlichkeit,« sagt Eawag-Forscher Luis Rodriguez-Lado. Validiert hat er die Berechnungen mit Tausenden von Arsenmessdaten.
Dass einzelne Provinzen in China arsenbelastetes Grundwasser haben, weiss man bereits seit den 60er-Jahren. Die chinesische Gesundheitsbehörde hat seither hunderttausende Grundwasserbrunnen auf Arsen getestet – bei über 20‘000 lagen die Werte über dem Grenzwert. «Die Tests sind sehr aufwendig. Und wegen der Grösse Chinas wird es noch Jahrzehnte dauern, bis das ganze Land durchgetestet ist», sagt Prof. Guifan Sun von der China Medical University.
Dicht besiedelte Region Shanghai betroffen
Sun hat unzählige Dörfer mit hoher Arsenbelastung besucht und Erschreckendes gesehen. «Wir haben Dörfer gefunden, in denen 70 Prozent der Einwohner aufgrund einer Arsenvergiftung Krebs haben», sagt er. Wie gross das Arsenproblem in China sein könnte, wurde dem Experten aber erst nach den Modellrechnungen der Eawag bewusst.
Das Modell beruht auf detaillierten Daten über Geologie, Bodenbeschaffenheit und Klima. Es ist seit Jahren im Einsatz und wurde für China noch verfeinert. Vor allem junge Ablagerungen von Flüssen mit einem hohen Anteil an organischem Material erwiesen sich als Indiz für eine erhöhte Arsen-Kontamination des Grundwassers.
Was wird die Regierung Chinas tun?
Mit einem Raster von einem Kilometer Auflösung berechneten die Forscher so die potenziellen Risikogebiete. Neben heute schon bekannten «Hot spots» kamen neue Regionen hinzu – zum Beispiel westlich von Shanghai. Hier trifft ein hohes Arsen-Risiko auf eine hohe Bevölkerungsdichte: ein potenter Mix für eine schleichende Massenvergiftung.
«Wir müssen in dieser Region so schnell wie möglich mit Arsentests beginnen», sagt Guifan Sun, «erst dann können wir mit Sicherheit sagen, wie stark diese Region belastet ist.» Sun erwartet, dass die chinesische Regierung nach der «Science»-Publikation handeln wird.
Wie schnell, ist allerdings noch ungewiss. «Es sind verschiedene Behörden involviert. Für die Arsen-Erkrankungen in der Bevölkerung ist die Gesundheitsbehörde zuständig, für die Lösung des Problems die Wasserbehörde.»
Weltweit 140 Millionen bedroht
«Das Arsenproblem ist global», betonte Eawag-Forscherin Annette Johnson an der heutigen Pressekonferenz in Dübendorf. Aus dem Grund arbeitet sie, zusammen mit der WHO, an globalen Karten zum Arsenrisiko (siehe Video unten). Diese Risikokarten sind ein erster Schritt im Kampf gegen die «grösste Massenvergiftung der Menschheit», wie die Uno das Arsenproblem ungeschminkt bezeichnet.