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Schafzüchter Joannes Peer und Hirt Karl Thöni schauen gemeinsam auf eine Landkarte ihrer heimatlichen Region in Graubünden.
Legende: Was tun gegen Bären-Attacken? Schafzüchter Joannes Peer und Hirt Karl Thöni sind vom Risiko direkt betroffen. SRF

Natur & Tiere Bär raubt Schäfern den Schlaf

Der zweijähriger Braunbär M25 streift seit zwei Wochen durch die Bündner Täler. Dabei hat er mindestens 17 Schafe und einen Esel gerissen. Was tun? Viele Schafzüchter halten die empfohlenen Massnahmen zum Herdenschutz für wirkungslos. Die Verunsicherung ist gross.

Der eigenwillige Streifzug des Bären M25 stellt im Kanton Graubünden alte Traditionen auf den Kopf: Das Modell Schafzucht auf der Alp scheint gefährdet. Für viele Schafzüchter ist klar: Ein Bär mit Heisshunger lässt sich auch von einem Elektrozaun nicht stoppen.

Doch noch wollen sie sich nicht geschlagen geben. Eine Reportage für «Schweiz aktuell» zeigt: Schafzüchter aus Ftan im Unterengadin haben sogar spontan eine Nachtwache organisiert, als der Bär im Wald oberhalb des Dorfes übernachtet hat.

Ein Schafherde vor einem Dorf in Graubünden.
Legende: Reichlich Beute: Dass M25 die Gegend anziehend findet, verwundert angesichts des Nahrungsangebots nicht. SRF

Herdenschutz kaum möglich

Verantwortlich für die Schafherde mit 800 Tieren ist in Ftan der Züchter Joannes Peer. Er lässt seine Schafe von einem erfahrenen Hirten bewachen und treibt sie am Abend in ein Gehege, das mit einem Elektrodraht gesichert ist. Trotzdem glaubt er nicht, dass sich der Bär aufhalten lässt: «Unsere Erfahrungen im Unterengadin zeigen: Wenn ein Bär wirklich will, reisst er Schafe auch aus Herden, die mit Herdenschutzhunden abgesichert sind.»

Skepsis gegenüber Schutzkonzept

Der Bär ist in der Schweiz ein streng geschütztes Tier. Laut Gesetz darf er erst abgeschossen werden, wenn er Menschen gefährlich nahe kommt. Im Bärenkonzept des Bundes ist deshalb vorgesehen, dass es ein Nebeneinander von Bär und Alpwirtschaft geben soll.

Dazu soll der Schutz der Nutztiere entsprechend angepasst werden. Viele Bündner Schafzüchter halten dies allerdings für ein Ding der Unmöglichkeit. Nachtwachen zum Beispiel sind vor allem in höheren Lagen nicht auf Dauer zu organisieren.

Was tun?

Die Schafe bei Gefahr von der Alp in Ftan abzuziehen, kommt für den Alpverantwortlichen Joannes Peer ebenfalls nicht in Frage. Und Hirt Karl Thöni, der die Herde jeden Tag mit seinem Hund begleitet, ist sich bewusst, dass er im schlimmsten Fall nichts ausrichten kann.

Thöni ist nun schon seit 41 Sommern im Einsatz und hat es selbst schon erlebt, dass Braunbären auch tagsüber Schafherden angegriffen haben. Noch geht er allerdings davon aus, dass ihm M25 nicht zu nahe kommt. «Momentan hat er noch Scheu vor Menschen», sagt er, «Angst habe ich deshalb nicht.»

Politische Debatte gefordert

Bären sind unberechenbar; das zeigt auch M25 wieder: Der neunte Bär, der in den Kanton Graubünden eingewandert ist, hat in zwei Tagen 60 Kilometer zurückgelegt. Er kann also jeden Tag an einem völlig anderen Ort wieder auftauchen. Viele Schafzüchter blicken deshalb besorgt in die Zukunft.

Für sie ist klar: Lässt sich der Bär dauerhaft nieder, so werden viele Züchter aufgeben. Davon ist auch Joannes Peer überzeugt. Er fordert deshalb eine öffentliche Debatte, ob sich die Alpwirtschaft in der heutigen Form wirklich mit einer dauerhaften Ansiedelung von Bären vereinbaren lässt.

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