Für die Seekuh-Population in Florida war 2013 ein verheerendes Jahr. Nach Zählungen der dort ansässigen Schutzorganisation «Save the Manatee» verendeten 829 der zahmen Riesen – so viele wie nie zuvor in einem Jahr. Das macht bei knapp den unter 5000 Exemplaren, die sich in den Gewässern aufhalten, fast ein Fünftel aus.
Der Hauptgrund für die Rekordsterblichkeit liegt laut der Meeresbiologin Kate Tripp, die den Bericht erstellt hat, in der giftigen roten Algenblüte. «Normalerweise bleiben die Algen draussen im offenen Gewässer», sagt Tripp, «aber die Blüten wurden durch ungünstige Winde an die Küsten getrieben». An sich kein Problem, doch das Algenwachstum wurde durch Phosphate und Nitrogenabfälle aus der Landwirtschaft weiter angeregt.
Ein zweiter Faktor war eine aussergewöhnliche Kältewelle vor einigen Jahren, die «zum Verlust von sehr viel Seegras führte und das Ökosystem ins Ungleichgewicht brachte», so Kate Tripp. Seegras ist neben Algen und anderen Wasserpflanzen das Hauptnahrungsmittel der Seekühe.
Bootspropeller statt Algenpest
Die Algenpest ist inzwischen eingedämmt. Aber ein altbekannter Killer bleibt. Es sind weder die mehrere Hunderttausend Alligatoren noch die Haie in Florida. Denn die hier lebende Seekuhart Manati hat keine natürlichen Feinde – ausser dem Menschen. Pro Jahr verenden in Florida bis zu 100 Manatis durch Aussenmotoren von Booten und Schiffen, die über die friedlich grasenden Säuger hinwegdüsen.
Zusätzlich erleiden dabei Hunderte oft schwere Verwundungen. Fast jeder Manati in Florida hat Schrammen und tiefe Furchen, vor allem an den Schwanzflossen, aber auch am Rücken oder mitten im Gesicht. Manatis-Schützer Wayne Hartley beobachtet die Tiere seit 35 Jahren. Er begann seine Arbeit als State Park Ranger; heute zählt und filmt er die Seekühe im Auftrag von «Save the Manatee». Wenn Hartley im Blue Spring State Park unweit von Orlando im Kanu zwischen den Seekühen paddelt, kann er fast jedes Tier beim Namen nennen. Doch er erkennt sie nicht nur an der Körperform, sondern auch an den Verletzungen. «Manche haben sogar nur eine Flosse», klagt er.
Beschränkungen nicht ausreichend
Die Seekühe kommen trotzdem jeden November zu Hunderten aus nördlicher gelegenen Küsten an die warmen Quellen und Buchten Floridas, wo sie dank konstanten 22 Grad Wassertemperatur bequem ruhen und grasen können. Im März, wenn es wieder wärmer wird, ziehen sie weiter.
In Florida halten sich die Manatis auch deshalb gerne auf, weil hier mehrere Elektrizitätswerke Warmwasser auslassen. In Tampa Bay an der Westküste hat die staatliche Gesellschaft sogar eine eigene Schutzzone für die Säuger eingerichtet. Die Rücken der bis zu vier Meter langen Riesen sind dann in den Wintermonaten von einer Besucherterrasse aus zu beobachten.
Solche Schutzzonen sind dem Druck von Tierschützern zu verdanken. Sie konnten in den vergangenen Jahren einige Gesetzesverschärfungen durchsetzen: Der Staat Florida richtete Schutzgebiete mit Tempolimits oder gar Sperren für Boote und Schwimmer ein. Neue Yachthäfen dürfen nur gebaut werden, wenn dafür alte stillgelegt werden.
Die Rodung von Mangroven und die Trockenlegung von Sümpfen ist trotzdem nicht aufzuhalten. «In Florida will man am Wasser leben», sagt Meeresbiologin Kate Tripp. Das bringt neben den Booten auch Docks und Düngemittel mit sich. Viele Neuankömmlinge in Florida wüssten nicht einmal, was ein Manati ist, sagt sie. Immerhin: Die Schutzmassnahmen haben dazu geführt, dass sich die Seekuh-Population halbwegs stabilisiert hat. Die rote Algenblüte vom letzten Jahr bleibt hoffentlich eine Ausnahme.