Zum Inhalt springen
Ein Storch im Nest mit zwei Jungen.
Legende: 2013 - ein schwarzes Jahr für Jungstörche: Mehr als 80 Prozent der geschlüpften Jungvögel starben im Frühjahr wegen Regen und tiefen Temperaturen. Keystone

Natur & Tiere Die Störchin «Max» als Glücksfall

Die Zahlen sind eindrücklich: 1950 gab es kein einziges Storchenpaar mehr in der Schweiz. Im Sommer 2013 brüteten wieder 734 Störche. Es ist der Erfolg eines der grössten Wiederansiedlungs-Projekte – ein Erfolg mit Schattenseiten und der Störchin «Max» als Star.

Es ist ein eindeutiges Urteil: «Wir würden heute nicht mehr Störche züchten und auswildern wie damals. Aber man hatte früher einfach nicht das Wissen von heute.» Dies sagt Peter Enggist, der Geschäftsführer von «Storch Schweiz». Er hatte ab 1977 gezüchtet und betreute damals in seiner Station bis zu 40 Störche.

Storchenvater Max Bloesch

Initiant der Wiederansiedlung des Weissstorches in der Schweiz war Max Bloesch. 1950 waren die Störche praktisch ausgestorben. Die Ursachen: Die Landwirtschaft wurde intensiviert, Felder trocken gelegt, und die Bauern setzten vermehrt Pestizide ein. Auch die klimatischen Bedingungen spielten wohl eine Rolle. Regen und Kälte dezimierten im Frühjahr immer wieder den Bestand der Jungvögel in den Nestern.

Jungstörche aus Algerien

Ab 1955 importierten Max Bloesch und seine Freunde mehrfach Jungstörche aus Algerien und züchteten mit ihnen eine neue Population heran. Altreu im Kanton Solothurn wurde zum Storchenzentrum. Innerhalb weniger Jahre kamen Aufzuchtstationen in der ganzen Schweiz hinzu. Man hielt die Störche in Volieren und fütterte sie das ganze Jahr über.

Den Jungvögeln stutzte man während vier Jahren die Flügel und hinderte sie so daran, in den Süden zu ziehen. Dadurch verloren Störche den Trieb für das Zugverhalten und blieben auch im Winter in der Schweiz. Zahlenmässig war die Aufzucht zwar ein Erfolg. Aber sie war alles andere als artgerecht.

Die Wiederansiedlung als Sackgasse

Die Störche hatten ihren Mythos als Zugvögel verloren. «Wir sahen ein, dass Aufzucht und Auswilderung der falsche Weg waren», gesteht Peter Enggist ein. Unter seiner Leitung machten die Schweizer Storchenfreunde 1995 eine Kehrtwende. Sie fütterten nicht mehr, und sie hinderten die Jungvögel nicht mehr daran wegzufliegen. Das Resultat ist überzeugend. «Heute fliegen wieder 99 Prozent der Jungvögel im Herbst in den Süden» sagt der Geschäftsführer von «Storch Schweiz» erfreut.

Die Störchin «Max» als Glücksfall

Das beste Beispiel für den Erfolg der neuen Strategie ist «Max». Der nach Storchenvater Bloesch benannte Storch war der erste, dessen Leben von einem Satellitensender aufgezeichnet wurde. «Max» kam 1999 in Avenches zur Welt. Erst drei Jahre später stellte man fest, dass es sich bei «Max» um ein Weibchen handelte. Die Störchin flog in ihrem Leben über 60'000 Kilometer weit. In den ersten acht Wintern zog sie immer nach Marokko oder Algerien, ab 2007 nur noch nach Spanien. Im Alter von drei Jahren brütete «Max» zum ersten Mal, nördlich des Bodensees. Sie hat 31 Nachkommen in die Welt gesetzt. Im Dezember 2012 starb die Störchin in Spanien.

Exakte Zugrouten der Störche

Box aufklappen Box zuklappen

Die Aufenthaltsorte und Zugrouten der besenderten Störche können im Internet jederzeit abgerufen werden: auf der Seite von «SOS Storch - Storchenzug im Wandel» in der Menu-Rubrik «Senderstörche».

«Max war ein Glücksfall für uns», sagt Peter Enggist, «denn im Durchschnitt kommen rund 50 Prozent der Jungstörche im ersten Jahr um.» Ursachen sind Kollisionen mit Stromleitungen, mit Autos oder Zügen und in Afrika die Jagd. Um diese Gefahren zu dokumentieren, haben Enggist und sein Team schon vor 15 Jahren Störche mit Sendern ausgerüstet.

Abfalldeponien als Heimat für Störche

Seit gut zwei Jahren läuft eine neue Besenderungs-Kampagne des Vereins «Storch Schweiz». Sie ist Teil eines gesamteuropäischen Forschungs-Projektes. Diesmal stehen die vielen offenen Abfalldeponien in Spanien im Fokus. Dort haben die Störche eine neue, fast unerschöpfliche Nahrungsgrundlage und eine neue Heimat gefunden – mit fatalen Folgen: Zum einen breiten sich Krankheiten aus, zum anderen fliegen immer weniger Störche nach Afrika.

Das grösste Problem kommt aber wohl erst in den nächsten Jahren auf die Störche zu. Bis 2016 müssen die Deponien gemäss EU-Vorgaben saniert und der organische Abfall auf drei Prozent der Gesamtmenge reduziert werden. Das wird dazu führen, dass der Konkurrenzkampf grösser wird. Peter Enggist: «Viele Störche werden verhungern. Oder sie lernen wieder, nach Afrika zu fliegen. Aber das können wir nur hoffen.»

Meistgelesene Artikel