Kaninchennasenbeutler, Känguruhratten, Erdsittiche, Tüpfelbeutelmarder: Unzählige wunderliche Tiere bevölkern den australischen Kontinent. Sie leben nur hier – ein Artenreichtum, der bedroht ist. Denn seit die ersten Europäer nach Australien kamen und Füchse und Hauskatzen mitbrachten, breiten sich diese eingeschleppten Jäger aus.
Bis zu 20 Millionen verwilderte Katzen durchstreifen heute den Busch und richten dort jede Nacht ein Blutbad an, sagt der Ökologe Euan Ritchie von der Deakin Unversität in Melbourne: «Wir schätzen, dass sie etwa 400 verschiedene australische Tierarten fressen.» Gerade Pflanzenfresser, die am Boden leben, fallen den Katzen und Füchsen reihenweise zum Opfer. 30 Säugetierarten sind schon ausgestorben.
Giftköder helfen nicht
Seit Jahrzehnten versuchen die australischen Behörden, das Problem in den Griff zu bekommen. Sie legen mit Natriumfluoracetat vergiftete Köder aus. Der Aufwand ist zwar gewaltig, doch immerhin lassen sich die Fuchspopulationen so zurückdrängen. Das zeigen Versuche in Westaustralien.
Gegen Katzen helfen die Giftköder allerdings nicht, sagt Ritchie: «Anders als Füchse fressen Katzen nur sehr ungern tote Tiere. Sie jagen lieber lebende Opfer. Wenn man also Giftköder auslegt, sterben dadurch Füchse, aber kaum Katzen.» Gleichzeitig pflanzen sich Katzen sehr schnell fort und sind sehr scheu.
Deshalb setzt der Ökologe Euan Ritchie seine grössten Hoffnungen auf den Dingo, den grössten Raubsäuger Australiens. Die wilden Hunde jagen Katze und Füchse – und sie verbreiten Angst unter den eingeschleppten Jägern: Sie ziehen sich zurück, wenn Dingos in ihrem Revier aktiv sind.
Erst im März 2015 zeigte ein internationales Forscherteam mit einer Studie im Fachmagazin «Trends in Ecology and Evolution», welche Rolle die wilden Hunde in Australien spielen. «Dingos verdrängen Füchse – und das sehr effektiv», erklärt Erstautorin Arian Wallach von der Charles Darwin Universität in Darwin, «sie löschen die Fuchspopulationen nicht direkt aus, aber sie halten sie sehr klein. Das hilft den Beutetieren der Füchse, sich wieder zu erholen."
Farmer auf Dingo-Jagd
Es gibt aus vielen Weltregionen Beispiele dafür, dass grosse einheimische Raubtiere gestörte Ökosysteme wieder ins Gleichgewicht bringen können. In Schweden zum Beispiel kontrollieren die Luchse die Fuchspopulationen, erzählt Ritchie, «in Nordamerika sind es Wölfe, die Koyoten in Schach halten».
Die Sache hat allerdings einen Haken. Dingos sind gerade bei den australischen Farmern nicht beliebt. Sie stehen im Verdacht, Kälber und Schafe zu reissen und werden bis heute erbittert gejagt. Trotzdem plädiert Euan Ritchie dafür, die Raubtiere in Ruhe zu lassen. Gesunde Rudel würden sich von den Menschen fernhalten und eher Wildtiere jagen.
«Werden die Dingos dagegen gejagt, zerbrechen die Sozialstrukturen im Rudel», erklärt der Fachmann, «die Jungtiere lernen nicht mehr, wie sie Kängurus und andere Tiere in der freien Wildbahn erlegen können. Stattdessen stürzen sie sich auf Schafe und Kälber, die einfach zu erlegen sind.» Je stärker Dingos gejagt würden, so Ritchies Fazit, desto grössere Probleme verursachten sie.
Tasmanische Teufel als Helfer?
Die Hoffnungen ruhen nicht allein auf den Dingos. Auch Tasmanische Teufel sind in der Lage, Katzen und Füchse unter Kontrolle zu bringen. In der Wildnis kommen die schwarz-weissen Beuteltiere nur noch auf Tasmanien vor. Dort wird die Art seit fast zwanzig Jahren von einem ansteckenden Gesichtstumor bedroht, der die Populationen hinwegrafft.
Deswegen werden Tasmanische Teufel in vielen australischen Zoos gezüchtet, um die Art vor dem Aussterben zu bewahren. Mittlerweile leben etwa 700 Teufel in Tierparks. Euan Ritchie würde einige dieser Tiere gern auf dem australischen Festland auswildern.
Auswildern – aber behutsam
Eine Idee, die in den vergangenen Jahren von unterschiedlichen Forschern aufgeworfen wurde. Auch die Biologin Marissa Parrott vom Zoo in Melbourne hält sie für interessant. Zum einen wäre es eine Möglichkeit, den bedrohten Tasmanischen Teufeln einen neuen Lebensraum zu geben und zum anderen könnte sie kleine einheimische Tiere schützen.
Allerdings birgt dieses Experiment ihrer Ansicht nach auch eine Reihe von Risiken: «Wir wissen zum Beispiel nicht, was mit den einheimischen Arten passiert, die sich in den vergangenen Jahrhunderten an eine Umgebung ohne Tasmanische Teufel gewöhnt haben.» Parrott plädiert dafür, mögliche Folgen genau zu untersuchen, bevor die Teufel auf dem australischen Festland ausgesetzt werden.