Das Mädchen mit dem etwas ungewöhnlichen Namen und dem etwas ungewöhnlichen Körper ist traurig. Es heisst «Fossil Fuel» und sein Oberkörper und Kopf bestehen aus einem schwarzen Ölfass. Doch nicht deswegen ist «fossiler Treibstoff» betrübt, sondern weil sie von ihrem Freund, dem Jungen Joe verlassen worden ist.
Joe tat diesen grausamen Schritt, weil seine Kollegen «Fossil Fuel» schlecht machten. Dabei habe die Geliebte so viel für Joe getan, säuselt die Erzählerin im skurrilen Zeichentrickfilm «Breaking Up With Fossil Fuels is Hard to Do» . Er wird seit kurzem auf Youtube verbreitet. «Fossil Fuel» sorge etwa dafür, dass die Bauern Joes Nahrung produzieren könnten.
Der Film wurde von der Allianz für Umweltpolitik produziert. Sie gilt als Lobbygruppe für die Erdöl- und Kohleindustrie in den USA, die sich nach langem Schweigen gegen die so genannte De-Investitions-Kampagne zu wehren beginnt. Denn diese erregt zunehmend Aufsehen in der Finanzwelt – das sagt nicht ein Aktivist, sondern ein Manager der Ratingagentur Standard & Poor‘s, Michael Wilkins: «Die De-Investitionskampagne hat viel an Schwung zugelegt. Sie wird unter Investoren immer mehr zum Thema.»
Bisher haben rund 200 Organisationen insgesamt 50 Milliarden Dollar aus Öl- und Kohle-Aktien abgezogen. Darunter die Städte San Francisco und Seattle, die renommierte Stanford Universität und eine grosse Stiftung der Rockefeller-Familie, deren Reichtum ursprünglich auf Erdöl gründete. Auch der 850-Milliarden-Dollar schwere Pensionsfonds der norwegischen Regierung stiess Kohle-Aktien ab.
Risiko einer Kohlenstoffblase
Sie alle reagierten nicht nur auf die ethischen Argumente der Klimaschützer, sondern auch auf ihre wirtschaftlichen. Und die gehen so: Die Weltgemeinschaft hat sich an den Uno-Klimakonferenzen darauf geeinigt, dass sich die Erde nicht um mehr als zwei Grad erwärmen soll. Wird dies umgesetzt, können dreiviertel aller Brennstoff-Vorräte in den Lagerstätten der Energiekonzerne nicht verwendet werden. Das zeigen wissenschaftliche Berechnungen. Die Folge: Die Energieunternehmen stellen ein grosses Finanzrisiko dar, weil diese Vorräte im Preis ihrer Aktien bereits eingerechnet sind. Von einer Kohlenstoffblase ist die Rede.
Den Investoren werde bewusst, dass die De-Investionskampagne nicht auf dem Mist verrückter Hippies gewachsen sei, sagt Jamie Henn von der Organisation 350.org: «Sie hat einen seriösen wirtschaftlichen Hintergrund.» 350.org steht hinter der Bewegung.
Kürzlich kündigte die Bank of England an, sie überprüfe, wie gross das Risiko einer Kohlenstoffblase sei – ein Paukenschlag der Aufsichtsbehörde. Trotzdem müsse man die Relationen wahren, sagt Michael Wilkins von Standard & Poor‘s: «Der Gesamtwert der börsenkotierten Öl-, Gas- und Kohlefirmen liegt bei 5 Billionen Dollar.» Bisher seien die abgeflossenen Mittel im Vergleich klein.
Kohleindustrie vor der Pensionierung
Ungemütlich werden könne es aber für die Kohleindustrie. Ihr ginge es wirtschaftlich sowieso schon schlecht. Dies sieht auch die Investment Bank Goldman Sachs so: Sie warnte im Januar in einem Bericht, die Kohleindustrie stehe «vor der Pensionierung».
Eine wichtige Rolle spielt das neue Klima-Abkommen, das Ende Jahr in Paris verabschiedet werden soll, sagt Michael Wilkins. Zum ersten Mal werden alle Staaten CO2-Reduktionen vornehmen müssen. Dies sende ein Signal an die Finanzwelt, dass man sich Investitionen in fossile Energien zweimal überlegen solle.
Denn schon lokal verschärfte Umweltvorschriften hätten bereits beträchtliche Auswirkungen gehabt: Als Kalifornien strengere Treibstoff-Gesetze eingeführt habe, habe dies die Nachfrage nach konventionellem Benzin stärker einbrechen lassen als sämtliche internationalen Regelungen wie das Kyoto-Protokoll.
Ein neuer Klimavertrag, eine Finanzwelt, die Investionen in Öl und Kohle zunehmend als Risiko betrachtet, und eine globale Bewegung, die lauthals einen Investitionsbokyott fordert: Der Wind für die Öl-, Gas- und Kohle-Industrie wird rauer.