«Vor zehn Jahren wäre es doch unvorstellbar gewesen, dass in den Nachrichten ein Bericht über die Bienen läuft!», sagt Robert Sieber, begeisterter Hobbyimker und Redaktor der Zeitung des Vereins Schweizer Bienenfreunde. Heute ist das Thema Bienen allgegenwärtig und Imkern Teil einer urbanen Entwicklung. Ob man es Stadtimkern oder «urban beekeeping» nennt: Immer mehr Städter halten Bienen und holen sich damit ein Stück Natur zurück in die Stadt – so wie die Nutzpflanzen auf dem Balkon oder Fischkulturen auf dem Dach.
Bienen sind ein Kassenschlager
Auch Peter Gallmann vom Zentrum für Bienenforschung in Bern stellt schon seit einiger Zeit fest, dass das Interesse am Imkern steigt – besonders jedoch seit vergangenes Jahr Markus Imhofs Film «More than honey» in die Kinos kam. Der Film ist eine Suche nach den Gründen des weltweiten Bienensterbens und avancierte innert Kürze zum erfolgreichsten Schweizer Dokumentarfilm aller Zeiten.
«Viele Leute wollen das Stadtimkern einfach mal ausprobieren», sagt Peter Gallmann, «nicht wenigen geht es darum, etwas Gutes zu tun, damit die Bienen überleben und unsere Nutzpflanzen bestäuben können. Richtig helfen tut das aber nicht».
Bienen sammeln in einem Radius von etwa ein bis zwei Kilometern ihren Nektar und bestäuben die Blüten. Dort, wo es die Bestäubung aber eigentlich bräuchte – in den landwirtschaftlichen Gebieten – kommen die Stadt-Insekten gar nicht hin.
«Da blüht nichts»
Hinzu kommt ein weiteres Problem, das die Stadtimker nicht lösen können: Auf dem Land werden vielerorts bereits Mitte Juni Blumennektar und Pollen knapp – dann ist die Rapsblüte vorbei und die Wiesen sind wegen der Frischgrasfütterung bereits abgemäht. Was bleibt, ist eine grüne Wüste: Weizen- und Maisanbau und Wiesen mit Futterpflanzen. «Da blüht nichts», sagt Peter Gallmann.
Stadtbienen hingegen können aus einem reichhaltigen Menü wählen: Linden, Rosskastanien, Eschen, Ahorn. Akazien, wilde Kirsch- oder Obstbäume. Blumen und Sträucher. Fast das ganze Jahr hindurch finden die Bienen Nektar und Pollen – und die Imker haben gute Erträge. Ausserdem ist der Honig in der Stadt kaum durch Pestizide belastet.
Auch Schadstoffe spielen keine grosse Rolle, da die Bienen Verunreinigungen wie Russ oder Staub mechanisch aus dem Nektar herausfiltern können. Das tun sie auch mit den Pestiziden, weshalb Gallmann dem Stadthonig kein besseres Prädikat als dem Landhonig ausstellt.
Ausbildung ist ein Muss
Vor einem Befall mit der Varroamilbe, vor Sauerbrut oder Faulbrut – Krankheiten, die ganze Bienenpopulationen dahinraffen können, sind jedoch auch Stadtbienen nicht gefeit. Die oft geäusserte Befürchtung, dass Stadtbienen sogar anfälliger seien, weil die Populationen dichter sind, finden die Experten nicht bestätigt. Alleine schon, weil Stadtimker durchschnittlich drei bis vier Bienenvölker besitzen, während es bei Landimkern schnell 20 bis 30 sind.
Ein Problem in den Städten sieht Peter Gallmann eher, wenn die richtige Ausbildung fehle. Seit zwei Jahren muss jede Bienenhaltung registriert werden; Imker sind im Verein organisiert; zwei Mal jährlich müssen Goldsiegelimker, denen die Qualität ihres Honigs besonders am Herzen liegt, eine Ausbildung besuchen. «Wer diesen Aufwand scheut und nicht weiss, wie beispielsweise der hochansteckende Varroa-Befall korrekt bekämpft wird, ist eine Gefahr».
Botschafter der Natur
Die meisten Imker nehmen die anspruchsvolle Ausbildung jedoch sehr ernst. Etwa 13'000 Imker gibt es heute in der Deutschschweiz, jedes Jahr melden sich etwa 600 Menschen für das Imker-Diplom an, Tendenz klar steigend. Genaue Zahlen, wie viele in der Stadt imkern, gibt es aber nicht.
Die Bienenwelt können die Stadtimker nicht retten. Robert Sieber sieht in ihrem Schaffen dennoch einen Sinn: Er nennt sie «Ambassadoren der Natur» und fügt hinzu: «Hätten Sie eine Geschichte über die Bienen gemacht, wenn es die Stadtimker nicht gäbe?».