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Rätselhafte Selbstamputation Wie Seesterne ihre Arme abstossen

Von Eidechsen bis zu Seesternen: Gewisse Tiere können ein Körperteil rasch abtrennen, um vor einem Räuber zu flüchten. Nun haben Forschende die Mechanismen dahinter untersucht.

Vielleicht haben Sie auf einer Wanderung auch schon eine Eidechse ohne Schwanz entdeckt. Was nach einem brutalen Unfall aussieht, ist in Wirklichkeit ein Überlebenstrick.

Gewisse Tiere können ein Körperteil abwerfen, um einen Räuber abzulenken und sich mehr Zeit für die Flucht zu verschaffen. Ganz nach dem Motto: Lieber unvollständig weiterleben, als gefressen zu werden.

Wenn Tiere ein Stück von sich selbst zurücklassen

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Kraken und Krabben lassen ihre Arme los und Käfer amputieren ihre Beine. Fachpersonen bezeichnen die Selbstamputation eines Körperteils als Autotomie. Es gibt unterschiedliche Thesen darüber, welche Vorteile das den Tieren verschafft. Unter anderem wird diskutiert , dass dieses Verhalten nicht nur dem Schutz vor Raubtieren dient. Die Autotomie könnte auch der Heilung verletzter Gliedmassen dienen. Womöglich sei es am einfachsten, diese ganz abzutrennen und dann nachwachsen zu lassen, spekulieren Forschende.

Zudem spielt das Abstossen von Körperteilen auch bei der Fortpflanzung eine Rolle. Beispielsweise kann eine südostasiatische Meeresnacktschnecke nach dem Akt ihren Penis abwerfen. Rund 24 Stunden später ist der Körperteil nachgewachsen.

Welche Prozesse es ermöglichen, dass etliche Tiere ein Körperteil oder gleich mehrere gleichzeitig abstossen können, bleibt bis heute grösstenteils ungeklärt. Je nach Tierart stecken andere Mechanismen dahinter.

Über die Mechanismen dahinter ist jedoch wenig bekannt. Dem rätselhaften Verhalten sind Forschende nun nachgegangen und haben Seesterne untersucht. Sie können ihre Arme etwa bei einem Angriff einer Möwe abtrennen.

Das Team hat ein Protein entdeckt, das im Nervensystem der Seesterne als Signalstoff wirkt. Wird es ausgeschüttet, ziehen sich bestimmte Muskeln zusammen und das Gewebe löst sich ab. Der Rest des Körpers bleibt intakt und die verlorenen Arme wachsen rasch wieder nach.

Ein roter Seestern mit nachwachsendem fünftem Arm liegt auf dem Meeresboden.
Legende: Selbstamputation: Bei einem Seestern der Art Asterias rubens wächst der abgeworfene fünfte Arm wieder nach. IMAGO/blickwinkel

Die Erkenntnisse könnten auch für die Regenerationsforschung und die Behandlung von Gliedmassenverletzungen interessant sein.

Seesternen-Studie: Wer's genauer wissen möchte

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Forschende der Queen Mary Universität in London haben Seesterne der Art Asterias rubens untersucht. Diese Tiere kommen in allen europäischen Meeren ausser dem Mittelmeer vor.

Wird einer dieser Seesterne etwa von einer Möwe angegriffen, kann er gezielt einen oder auch mehrere Arme gleichzeitig abwerfen. Sprich: Ein mechanischer Reiz, wie das Greifen eines Arms durch ein Raubtier, löst häufig die Selbstamputation aus. In der Studie simulierte das Team diesen Vorgang, indem es die Arme der Seesterne einklemmte.

Daraufhin setzen die Meerestiere Signalstoffe frei, darunter das Neuropeptid mit dem sperrigen Namen «ArSK/CCK1». Dieses kann den Abwurf der Arme bewirken, wie die Forschenden jetzt herausfanden. Auch wenn der Signalstoff direkt injiziert wurde, warfen manche Meerestiere einen Arm ab – also auch ohne mechanischen Reiz.

Seesterne verfügen zudem über eine besondere anatomische Eigenschaft: Ihr kollagenes Gewebe kann ganz weich werden, was das Abtrennen eines Körperteils erleichtert. Bis ein Seestern einen Teil von sich abgetrennt hat, können wenige Minuten bis zu 20 Minuten vergehen.

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