Übertragbare Krankheiten sind für uns Menschen eine ständige Bedrohung. Wir impfen uns jährlich gegen Grippe, schlucken Antibiotika gegen bakterielle Infektionen und wenn irgendwo auf der Welt ein gefährliches Supervirus auftaucht, entwirft die WHO Pandemiepläne.
Aber auch Tiergemeinschaften sind imstande, sich gegen die Verbreitung von Krankheiten zu wappnen. Das zeigen erstmals Forschungsarbeiten der Universität Lausanne, die diese Woche im Magazin «Science» erschienen sind.
In einem aufwändigen Laborexperiment haben die Wissenschaftler herausgefunden, wie Ameisen verhindern, sich gegenseitig mit gefährlichen Krankheitserregern anzustecken.
Kein Kontakt, keine Krankheit
Die Tiere sind sehr fleissig und strikt organisiert. «In seiner Kolonie weiss jedes Tier, was es zu tun hat, sagt die Biologin Nathalie Stroeymeyt von der Universität Lausanne.
«Im Innern lebt die Königin, die pro Tag mehrere hundert Eier legt. Junge Arbeiterinnen kümmern sich um die träge Regentin und deren Nachwuchs. Draussen schaffen die älteren, schon etwas robusteren Kundschafterinnen die Nahrung für alle herbei.»
Zwischen den beiden Gruppen gibt es nur wenig Kontakt. Doch die Trennung hat einen vorbeugenden Effekt. «Sie führt dazu, dass die Kundschafterinnen möglichst wenig Krankheitserreger ins Innere des Nests schleppen», erklärt Stroeymeyt. «Denn sie sind diejenigen, die bei der Futtersuche auf gefährliche Mikroben oder Pilze stossen.» Davor sollen die Königin und ihre Brut möglichst geschützt werden.
QR-Code auf dem Ameisenrücken
Was aber, wenn in der Kolonie trotzdem ein Erreger auftaucht? Stroeymeyt und ihre Kolleginnen, die im Labor des bekannten Ameisenspezialisten Laurent Keller forschen, stellten sich folgende Frage: Sind Ameisen imstande, auf das Vorhandensein eines Krankheitserregers zu reagieren und so das Ansteckungsrisiko innerhalb der Kolonie einzudämmen? Ein aufwändiges Laborexperiment sollte diese Frage beantworten.
«Die Wissenschafter markierten über 2200 Gartenameisen mit einem winzigen QR-Code auf dem Rücken, ähnlich wie bei einem elektronischen Ticket der SBB», sagt Stroeymeyt. «Jede Ameise erhielt ihren persönlichen Code. Die Etiketten, auf die die Codes gedruckt waren, massen lediglich 0,7 mal 0,7 Millimeter.»
Im Labor bauen die Forschenden die Lebensbedingungen einer Kolonie nach, mit einem Nest und einem Erkundungsbereich, dazwischen eine Wand mit einer kleinen Öffnung. Darüber platzieren sie eine Infrarot-Kamera, die jede halbe Sekunde ein Bild aufnimmt, mindestens 24 Stunden lang.
Dank diesem ungemein aufwändigen Setting gelingt es Stroeymeyt und ihrem Team, das Verhalten der Tiere zu studieren. Erst unter normalen Bedingungen. Dann infizieren sie einen Teil der Kundschafterinnen mit Pilzsporen.
Zusammenrücken und abwehren
Die Ameisen reagieren stark auf den Pilz. Die befallenen Kundschafterinnen verbringen mehr Zeit als üblich ausserhalb des Nests. Aber auch die nicht-infizierten, gesunden Ameisen ändern ihr Verhalten.
Sie rücken stärker zusammen und halten sich so von den befallenen Tieren fern. Indem also die Ameisen ihr übliches Sozialverhalten noch verstärken, schaffen sie es, die Zahl der Ansteckungen tief zu halten, erklärt Stroeymeyt.
Wie die Ameisen den Krankheitserreger bemerken, ist noch nicht genau geklärt. Stroeymeyts Gruppe vermutet, dass Geruchssignale eine Rolle spielen. Sicher aber ist, dass sie die Pilzsporen bemerken. Denn die Ameisen ändern ihr Verhalten sofort, sobald sie von den Pilzsporen befallen sind.
Fleissig und schlau
Hat das Resultat die Forscherinnen und Forscher überrascht? Es sei vor allem ein neues Resultat, die erste Studie dieser Art, sagt Stroeymeyt. Dabei habe sich ihre Arbeitshypothese bestätigt. Nämlich, dass Ameisen aktiv ihre Organisation ändern, um sich gegen Krankheit zu wappnen.
Das sei ein nützlicher Mechanismus, findet die Forscherin: Es sei ein Verhalten, das die Tiere nicht viel Energie koste, sondern das Problem an der Wurzel packen. Insofern lässt sich sagen: Ameisen sind nicht einfach nur fleissig. Sie sind auch ziemlich schlau.