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Schmetterlinge im Bauch Zum Fressen gern: Bei ihm gibt's Insekten à la carte

Der Insektenkoch Daniel Birchler zeigt auf Youtube, wie man Heuschrecken, Grillen und Mehlwürmer zubereitet.

Seine Sendungen zeichnet Birchler in der eigenen Küche auf, im Osten der Stadt St. Gallen, wo er heute lebt. Drei Lichtpaneele leuchten den Arbeitstisch aus, auf Stativen stehen zwei Spiegelreflexkameras. Das Kochvideo soll perfekt aussehen – Haute Cuisine. Schliesslich soll es dazu animieren, die Insekten-Menüs nachzukochen.

Glacé mit Buffalowurm

Schritt für Schritt führt Birchler durch das Rezept: Eine Orange wird filetiert und in Stücke geschnitten. Zusammen mit einem Kaffir-Limettenblatt, etwas Minze und Kondensmilch kommen die Orangenstücke in den Mixer. Nun folgt das Buffalowurm-Mehl. Daniel Birchler schaut kurz in die Kamera, stellt den Mixer an und giesst anschliessend die Masse in die Glacémaschine. Fertig ist das Dessert: Glacé mit Buffalowurm.

Gelblich sieht die Masse aus, sie erinnert an Vanille. Im Geschmack ist das Insekten-Eis aber nussig, was vom Wurmmehl stamme, sagt Birchler.

Für uns exotisch, für andere normal

Über zwei Milliarden Menschen essen regelmässig Insekten – vor allem in Afrika, Lateinamerika und Asien. In der Schweiz sind Heuschrecken, Grillen und Mehlwürmer seit Mai 2017 als Lebensmittel zugelassen und im Angebot von Migros und Coop zu finden, doch der Trend hat sich nicht durchgesetzt. Das will der gebürtige Luzerner Daniel Birchler ändern.

Mit dem eigenen Youtube-Kanal «Grounded – Insekten kochen» will er Hemmschwellen abbauen und dazu animieren, Insekten zu kochen. «Insekten haben im Vergleich zu anderen tierischen Proteinen einen viel kleineren ökologischen Fussabdruck», sagt Birchler. «Sie sind also nicht nur sehr gesund, sondern auch gut für die Umwelt.»

Augen zu und durch

«Ich wollte meinen Eiweiss-Konsum nicht mehr länger mit Fleisch decken. So bin ich auf Insekten gekommen», sagt Birchler. Als er vor zwei Jahren das erste Mal die Larven von Würmern auf dem Teller sah, musste er die Augen schliessen, «nach dem fünften Mal wird es ganz normal». Heute verzichte er ganz auf Fleisch.

Auf den Youtube-Kanal sei er gekommen, weil es bis heute keine deutschsprachige Kochsendung mit Insekten gibt. «Und ich kann im Internet schnell sehr viele Leute erreichen», sagt Birchler. Youtube wird heute von rund zwei Milliarden Menschen pro Monat genutzt. Umfragen zeigen, dass sechs von zehn Personen Informationen über diese Gratis-Videoplattform beziehen und nicht über Live-Fernsehen. Birchlers Kanal haben rund hundert User abonniert – bescheiden, aber immerhin ein Anfang.

Für Nachhaltigkeit sensibilisieren

«Insekten bestehen zu grossen Teilen aus Eiweissen. Sie enthalten Ballaststoffe, aber nur wenig Kohlenhydrate», erklärt Birchler. Als ehemaliger Fitness-Trainer hat er sich intensiv mit gesunder Ernährung auseinandergesetzt. Heute arbeitet er als Sozialpädagoge, kochen sei sein grosses Hobby.

Junger Mann mit seinen Esswaren aus Insekten und Kochbüchern an einem Tisch
Legende: Daniel Birchler will Vermittlungsarbeit leisten und «Hemmschwellen abbauen.» GROUNDED / Insect Cooking

«Klar habe ich zuerst gedacht oder gehofft, dass ich mit dem Youtube-Kanal Geld verdienen kann.» Schnell habe er aber festgestellt, dass man damit nicht reich werde. «Mir geht es vielmehr darum, Hemmschwellen abzubauen und die Zuschauer für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren», so Birchler.

Insekten auf dem Teller sind ungewohnt. Ganze Heuschrecken, Grillen und Mehlwürmer brauchen etwas Überwindung. Beim Buffalowurm-Glacé geht es einfacher. Das Mehl sieht nicht nach Insekten aus – und es schmeckt.

«Ernährungsgewohnheiten ändern nur langsam»

Vor rund zwei Jahren hat Coop als erster Schweizer Detailhändler Insekten ins Regal aufgenommen, Migros folgte ein Jahr später. Doch der Durchbruch mit den Insektenbällchen und -burgern, mit Riegeln und Snacks ist ausgeblieben. Die Kunden seien zufrieden, die Nachfrage sei stabil, heisst es bei den Detailhändlern.

Bei den Insekten-Produzenten ist man zuversichtlich. «Ernährungsgewohnheiten ändern nur langsam», sagt Christian Bärtsch, der mit seinem Kollegen Matthias Grawehr an der Universität St. Gallen das Start-up-Unternehmen Essento gründete. Neben Coop beliefert Essento schweizweit 70 Shops und über 50 Restaurants.

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