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Sex im Tierreich Von Masturbation bis Gruppensex: Tiere stehen uns in nichts nach

Sex dient nicht nur der Fortpflanzung. Das Liebesleben der Tiere ist vielfältiger als oft gedacht.

Wer jetzt nach draussen geht, kann zuschauen, wie es die Spatzen treiben: Erst gibt es eine Art Gruppenbalz, bei der die Tiere hintereinander herfliegen und scheinbar alles vergessen, was um sie herum geschieht. Und wenn es dann zur Sache geht, können sich die Hausspatzen scheinbar kaum mehr bremsen. Bis zu zwanzig Mal pro Stunde springt das Männchen dem Weibchen auf den Rücken und es kommt zur Kopulation. Sex dient der Fortpflanzung, soviel ist sicher – aber es gibt noch viel mehr.

Viel schwuler Sex unter Giraffen

Männliche Giraffen zum Beispiel haben sehr oft gleich-geschlechtlichen Sex. Sie schlingen die langen Hälse umeinander und dann lecken sie sich gegenseitig das Geschlecht. Schliesslich kommt es zur Erektion, was bei diesen grossen Tieren nur schwer zu übersehen ist, und sie besteigen sich gegenseitig.

Geschlechterwechsel im Tierreich

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Es gibt zahlreiche Beispiele im Tierreich, wo Tiere das Geschlecht wechseln. Beim echten Clownfisch zum Beispiel, bekannt aus dem Film «Nemo», leben mehrere Männchen mit einem Weibchen zusammen. Stirbt das Weibchen, wandelt sich das grösste Männchen zum Weibchen.

Es gibt auch den umgekehrten Vorgang: Tierarten, die zuerst als Weibchen leben, dann als Männchen. Die Geschlechtsorgane reifen also gestaffelt. In der Biologie wird dies als Dichogamie bezeichnet.

Manchmal kommt es auch zu Gruppensex, wie man das etwa auch bei Walrössern beobachtet hat. Da männliche Giraffen sehr lange in Junggesellen-Gruppen zusammenleben, gibt es viel gleichgeschlechtlichen Sex. Bis zu 94 Prozent der Sexualkontakte sind homosexueller Natur.

Lesbische Beziehungen bei Affen

Auch Sex unter Weibchen ist weit verbreitet. So haben etwa 40 Prozent der weiblichen Japan-Makaken Sex untereinander, auch wenn Männchen vorhanden wären. Die Affen-Weibchen streicheln sich, sie umarmen sich und reiben ihre Genitalien aneinander. Sie saugen sich gegenseitig an den Brustwarzen, schauen sich tief in die Augen, gurren, pfeifen und quietschen: Es macht ihnen offensichtlich ziemlich viel Spass.

Tierisches Sexleben

Bei 1500 verschiedenen Wirbeltieren ist gleichgeschlechtlicher Sex unterdessen nachgewiesen, auch bei unseren Katzen und Hunden. Und auch Masturbation ist weit verbreitet.

Manche Schafböcke mögen nur Männchen

Die meisten dieser Tiere sind bisexuell, pflegen also Sex mit beiden Geschlechtern. Es gibt aber Ausnahmen: So sind etwa acht Prozent der Schafböcke schwul, ziehen also auch dann Sex mit einem Männchen vor, wenn es empfängnisbereite Schafe in der Nähe hätte.

Bei den wild lebenden amerikanischen Dickhornschafen führt das so weit, dass weibliche Schafe manchmal das Verhalten junger Männchen nachahmen, um von den schwulen Böcken bestiegen und begattet zu werden.

Biologen haben die Vielfalt lange verschwiegen

Forschende empfanden das sexuelle Verhalten der Tiere oft als verstörend. So hat etwa George Murray Levick die Adeliepinguine 1915 nach einem Jahr intensiver Beobachtung als «Hooligans» bezeichnet: Er sah viel gleichgeschlechtlichen Sex aber auch erzwungene Kopulation und Nekrophilie mit toten Weibchen. Sein Buch über die Adeliepinguine wurde vom Verleger darauf zensiert. Die Passage über das Sexualverhalten wurde kurzerhand wieder gestrichen. Was beim Menschen nicht statthaft war, durfte es auch im Tierreich nicht geben.

Unvoreingenommener Blick wäre angebracht

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Lange wurde insbesondere gleichgeschlechtlicher Sex unter Tieren moralisch verurteilt. Die Forschenden bezeichneten ihn als «abartig, unnatürlich, pervers oder bizarr». Noch im Jahr 1987 wurde ein Artikel publiziert über die homosexuelle Paarung bei marokkanischen Schmetterlingen unter dem Titel «Eine Bemerkung zu den sinkenden moralischen Werten bei den Schmetterlingen».

Heute wird gleichgeschlechtliches Verhalten von Tieren meist entspannter betrachtet. Es gibt Forschung zum Thema, Ausstellungen und entsprechende Führungen in Zoos. Manchmal wird «queeres Verhalten» von Tieren sogar regelrecht gefeiert. Die Wissenschaft versucht heute einen nüchternen unvoreingenommenen Blick einzunehmen: In den meisten Fällen sind Sexualkontakte unter Tieren heterosexueller Natur und sie dienen der Fortpflanzung. Es gibt jedoch zahlreiche Ausnahmen und die Vielfalt ist enorm gross.

Das zeigte auch eine vertrauliche Umfrage, welche die Menschenaffen-Forscherin Linda Wolfe 1991 bei ihren Fachkolleginnen und Fachkollegen gemacht hatte. Die meisten hatten ebenfalls schwules oder lesbisches Verhalten beobachtet, konnten es biologisch aber nicht einordnen oder wollten nicht Gefahr laufen, selbst als homosexuell zu gelten. Deshalb haben sie diesen Sex schlicht nicht zum Thema gemacht.

Buchhinweis

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Josh L. Davis: «Queer. Sex und Geschlecht in der Welt der Tiere und Pflanzen». 128 Seiten. Haupt-Verlag, 2025.

Radio SRF 1, Wissen, 25.4.2025, 16:00 Uhr

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