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Gesundheitsapp für Kühe
Aus Wissenschaftsmagazin vom 24.01.2015. Bild: Keystone
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Natur & Tiere Gesundheits-Apps für Kühe

Kuh Corinna wird von Sensoren und einer App überwacht, damit ihre Betreuer schneller erkennen, wenn ihr etwas fehlt. Sie ist das Aushängeschild einer Schweizer Forschungsoffensive: Neue Sensortechnik im Stall und auf dem Feld soll Kosten sparen und die Umwelt schonen.

Diese Kuh ist eine Trendsetterin: Am Kopf trägt Corinna ein Halfter, das mittels eingebauter Sensoren fortlaufend über ihre Gesundheit wacht. Es ist das Herzstück eines Systems, das Forscher des landwirtschaftlichen Bundesforschungsinstituts Agroscope zusammen mit der Baselbieter Firma Itin und Hoch entwickeln.

«Der im Halfter eingebaute Druck-Sensor erfasst ihr Wiederkauverhalten, das Futter- und das Wasseraufnahmeverhalten», erklärt Agronom Nils Zehner. «Das Wiederkauverhalten ist der Wohlfühlparameter für Kühe.» Geht es der Kuh nicht mehr gut, ändert es sich schnell.

Überwacht in allen Lebenslagen

Komplettiert wird die Gesundheitsüberwachung «Rumiwatch» von diversen Bewegungssensoren. Zum Beispiel von Lage- und Beschleunigungssensoren, die die Kopfhaltung der Kuh erfassen. An einer erhöhten Aktivität des Kopfes kann der Bauer erkennen, dass sie brünstig ist.

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Automatischer Gesundheits-Check im Stall
Aus Einstein vom 11.10.2012.
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Nils Zehner und seine Kollegen wollen ein System entwickeln, das die Tierhalter auf alle Ereignisse hinweist, die ein Eingreifen erfordern: die Kalbung, Brunst, eine Erkrankung und auch sozialer Stress.

Wenn es einer Kuh nicht gut geht, bekommt der Bauer eine Meldung zugeschickt. Beispielsweise, dass er nach Kuh Nummer 25 schauen muss, weil sich die Wiederkauaktivität in den letzten 12 Stunden um 30 Prozent verringert hat. Das könnte ein Zeichen für eine Euterentzündung sein oder einen übersäuerten Pansen. Dieses Leiden plagt Hochleistungskühe, wenn sie zu viel Kraftfutter erhalten.

Die Bauern werden zu Managern

«Mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft werden pro Betrieb grössere Tierzahlen gehalten, auch in der Schweiz. Dann ist die individuelle Fürsorge für das Tier nicht mehr gegeben», sagt Agronom Zehnder. Seine Gesundheits-App ist nicht so sehr für Bergbauern gedacht, die ihre Kühe gut kennen und intensiv betreuen. Aber in Grossbetrieben kann ein technisches Überwachungssystem seine volle Wirksamkeit entfalten, weil der Bauer die gefährdeten Tiere automatisch herausgefiltert bekommt.

Für den Agronomen sind Computer im Stall nichts Besonderes mehr: «Hier findet das Herdenmanagement statt. Die Verwaltung meiner Herde. Das Gesundheits- und Fruchtbarkeitsmanagement. Und die Steuerung des Melkstands.» Computer gibt es heute in fast jedem Milchbetrieb.

Schweizer Forschungsoffensive

Noch ist die Gesundheitsapp Rumiwatch «work in progress». Doch sie ist die Vorreiterin einer Forschungsoffensive, die das Bundesinstitut Agroscope mit dem Schweizer Zentrum für Elektronik und Mikrotechnik CSEM gerade lanciert hat. Gemeinsam wollen Agro- und Hightech-Forscher dafür sorgen, dass die zahlreichen Sensoren, die für Medizin und Industrie entwickelt worden sind, nun auch der Landwirtschaft zugute kommen. Und zwar nicht nur den Kühen im Stall, sondern auch den Pflanzen auf dem Feld.

«Wir sehen ein grosses Potenzial bei der Sensortechnik, um die Landwirtschaft viel spezifischer ausrichten zu können. Wenn man zum Beispiel Unkräuter automatisch erkennen könnte, dann könnte man diese gezielt spritzen, statt ein ganzes Feld », sagt Forschungsleiter Thomas Anken von Agroscope.

Beim Biolandbau könne er sich gar einen Roboter vorstellen, der Unkräuter erkennt und sie ausreisst. Es gebe viele Möglichkeiten, den Pflanzenbau effizienter und auch umweltschonender zu gestalten.

Sensoren gegen Düngerverschwendung

Auch beim Düngen sei das Potenzial für Verbesserungen enorm, sagt Matthias Krieger vom CSEM. Vor allem ein Forschungsresultat aus China habe ihn schockiert: «Dort hat man bei übersättigten Böden einmal mit Düngen ausgesetzt und dann festgestellt, dass die Erträge genau gleich gross waren. Das heisst, dieser Dünger, der da eingesetzt wurde, ist komplett verschwendet.»

Laut Schätzungen, wird weltweit pro Jahr Dünger für 20 Milliarden Franken verschwendet: Das ist nicht nur eine grosse finanzielle, sondern auch eine Umweltbelastung. Denn für die Herstellung von Dünger braucht es viel Energie, und ein Zuviel an Dünger belastet die Böden.

Auch hier ist noch viel Forschung nötig – ermöglichen sollen sie Sensoren, die aus der neuen Zusammenarbeit zwischen dem Mikrotechnik-Institut CSEM und Agroscope entstehen. Profitieren davon können Bauern, die Umwelt und nicht zuletzt auch die Nutztiere. Kuh Corinna zum Beispiel, die dann weniger von unbemerkten Krankheiten geplagt wird.

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