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Natur & Tiere «War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb?»

Vor 150 Jahren legte der schottische Physiker James Clerk Maxwell ein Meisterwerk der Physik vor: seine Gleichungen, die Elektrizität und Magnetismus miteinander verschränken. Ohne diese Gleichungen gäbe es heute kein Radio, kein Fernsehen und keinen Mobilfunk. Eine Ode.

Die Unesco hat 2015 zum Jahr des Lichts ernannt. Denn heuer stehen in der Wissenschaft mehrere Jubiläen an, die mit dem Phänomen Licht zu tun haben. Den Auftakt macht im Januar der «Geburtstag» der berühmten Maxwell-Gleichungen. Sie beschreiben, wie Licht sich im Raum ausbreitet und wie Magnetismus und Elektrizität zusammenhängen. Der schottische Physiker James Clerk Maxwell hat sie im Januar vor 150 Jahren erstmals publiziert. Damit läutete er eine neue Ära in der Physik und der Technik ein.

Ein Muss für jeden Nerd

Viele Physikerinnen und Physiker sind deshalb der Meinung, Maxwell gebühre ein Platz ganz oben im Pantheon der Physik. Zu seinen Fans gehört auch der britische Physiker und Autor Graham Farmelo. Warum? «Maxwell leistete Aussergewöhnliches, denn er vereinte Elektrizität, Magnetismus und Optik in einer einzigen Theorie.»

Man wusste um 1850 zwar schon viel über diese Gebiete. Zum Beispiel, dass Licht eine Welle ist. Dass man Strom erzeugen kann, wenn man einen Magneten hin und her bewegt. Oder dass eine Kompassnadel ausschlägt, wenn man in der Nähe eine Batterie anschaltet. «Doch», sagt Farmelo, «Maxwell gelang es, all diese Experimente zusammenzufassen in mathematischen Gleichungen, die man heute auf ein T-Shirt drucken kann.»

Ein koloriertes Portrait von James Clerc Maxwell.
Legende: Der schottische Physiker James Clerk Maxwell gehört neben Newton und Einstein zu den ganz Grossen der Physik. Imago

In der Tat gibt es solche T-Shirts mit den Gleichungen darauf, aber auch Kaffeetassen, Uhren, Mützen, Krawatten, Eheringe, Smartphone-Hüllen oder sogar WC-Papier mit den Maxwell-Gleichungen. Man könnte meinen, jeder Nerd, der etwas auf sich hält, hat irgendeines dieser Produkte bei sich daheim. Es gibt sogar Leute, die sich die Gleichungen eintätowiert haben oder die darüber im Internet Balladen singen.

Die Maxwell-Gleichungen sind in der Physik und der Elektrotechnik schlicht Kult. Sie sind nämlich extrem nützlich. Mit den Gleichungen können Elektroingenieurinnen und Forscher elektromagnetische Felder zähmen. «Die Leute, die unsere Smartphones entwerfen und all unsere anderen elektrischen Geräte, brauchen die Maxwell-Gleichungen», sagt Farmelo. Ohne Maxwell-Gleichungen kein Radio, kein Fernsehen, keine Computer.

Doch die Maxwell-Gleichungen sind nicht nur nützlich, sondern auch schön – zumindest in den Augen vieler Forscherinnen und Forscher. Sie sind elegant, kompakt, wunderbar symmetrisch. Der österreichische Physiker Ludwig Boltzmann liess sich durch ihre Schönheit sogar zu einem Gedicht hinreissen, angelehnt an Goethes «Faust»:

War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb, Die mit geheimnisvoll verborg'nem Trieb Die Kräfte der Natur um mich enthüllen Und mir das Herz mit stiller Freud erfüllen?

Maxwells Zeitgenossen brachen allerdings im Januar 1865 nicht gleich in Begeisterung aus, als sie die Gleichungen zum ersten Mal präsentiert bekamen. Das hat auch damit zu tun, dass Maxwell seine Gleichungen in einer komplizierteren Weise notierte, als wie sie heute kennen. Erst später packten andere Forscher wie zum Beispiel der Mathematiker Oliver Heaviside sie in die heutige – einfachere – Form.

Das Jahr des Lichts

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2015 wird neben Maxwells Gleichungen auch die Erkenntnis von 1815 gefeiert, dass Licht eine Welle ist, oder Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie von 1915. Das ganze Programm ist hier zu finden.

Ein Schönheitsideal bis heute

Es brauchte also eine Weile, bis die Gleichungen zum Schönheitsideal der Physik wurden, sagt der Wissenschaftshistoriker Helge Kragh von der Universität Aarhus in Dänemark: «Man hat die Gleichungen zuerst für eher hässlich gehalten.» Als schön empfanden die Physiker sie erst einige Jahrzehnte später, als klar wurde, dass die Gleichungen tatsächlich viele Phänomene erklären können.

Viele verschiedene Phänomene in einem Formelsatz zu vereinen, das ist heute das grosse Ideal in der Physik. Maxwells Gleichungen haben diesem Ideal den Weg gebahnt. Auch der physikalische Übervater Einstein baute sein Werk auf Maxwells Theorien auf. «Er stand auf Maxwells Schultern», sagt Kragh. Darum hatte Einstein ein Foto von Maxwell auf seinem Kaminsims stehen.

Das Jahrhundertgenie Einstein verehrte Maxwell. Auch für Historiker und Physiker Kragh gehören die Maxwell-Gleichungen zu den Top Ten. Das habe aber wohl auch damit zu tun, setzt er hinzu, dass er in seinem Physikstudium mit dieser Sicht indoktriniert worden sei. Ein Trost für alle, die die Schönheit der Gleichungen beim besten Willen nicht erkennen können.

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