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Natur & Tiere Ozean im Stresstest

Der Ozean nimmt etwa ein Drittel des Kohlendioxids (CO2) auf, das wir ausstossen. Ein unschätzbarer Service, der die globale Erwärmung deutlich verlangsamt. Doch der stetig steigende CO2-Ausstoss führt zur Versauerung des Ozeans. Welche Auswirkungen das hat, wollen Forscher in Schweden herausfinden.

Wenn sich in der Erdatmosphäre immer mehr Kohlendioxid anreichert, weil der Mensch über die Verbrennung fossiler Brennstoffe immer mehr davon in die Luft pustet, dann steigt nicht nur die Temperatur auf der Erde an. Auch die Ozeane versauern, denn Kohlendioxid löst sich im Meerwasser, bildet dort Kohlensäure und das Wasser wird saurer. Die Auswirkungen sind nur schwer abzuschätzen. Ein Experiment an der Westküste Schwedens, gut 100 Kilometer nördlich von Göteborg, soll Klarheit bringen.

Forscher vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Geomar in Kiel setzen dort sogenannte Mesokosmen ein, riesige Röhren aus Polyurethan-Folie, zwei Meter im Durchmesser und knapp 20 Meter lang. In diese Röhren schließen sie etwa 55 Kubikmeter Meerwasser ein, samt aller Lebewesen darin.

Das Leben eingefangen

Forscher nehmen Proben an den Mesokosmen.
Legende: Wie riesige Reagenzgläser schwimmen die Mesokosmen Fjord, sie isolieren das Meerwasser zu Forschungszwecken. Maike Nicolai, GEOMAR

Ulf Riebesell leitet die Studie im schwedischen Gullmarfjord. «Wir haben damit die Basis der Nahrungskette eingefangen», sagt er, «das, was im Ozean überhaupt erst Leben möglich macht.» Mit Basis meint Riebesell den Plankton im Meer, kleinste Lebewesen, von Viren über Bakterien, ein- und mehrzellige Algen bis hin zu winzigen Krebsen, Fisch- und Seesternlarven. Nun gilt es herauszufinden, ob diese Basis der Belastung durch das steigende CO2 standhält.

In fünf der insgesamt zehn Mesokosmen haben die Forscher deshalb die Verhältnisse geändert: Sie setzten so viel CO2 zu, wie es Szenarien des Uno-Klimaberichts IPCC für das Jahr 2100 prognostizieren, vorausgesetzt der Mensch bläst weiterhin stetig mehr CO2 in die Luft. Die 60 Wissenschaftler um Riebesell wollen zwei Dinge wissen: Welche Organismen mit den neuen Bedingungen klar kommen, welche sich anpassen können und welche einfach verschwinden werden. Und wie sich dadurch die Stoffflüsse im Meer verändern, also unter anderem die Fähigkeit des Ozeans, CO2 aufzunehmen und dauerhaft zu speichern.

Video
Ulf Riebesell gibt über die «Spinne» CO2 in einen Mesokosmos
Aus Einstein vom 29.04.2013.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 44 Sekunden.

Es gilt durchzuhalten

Die Studie soll bis zum Sommer laufen, sagt Ulf Riebesell, «wenn wir es schaffen, solange hier durchzuhalten». Denn die Forscher haben mit den Widrigkeiten des Wetters zu kämpfen und es könnte leicht passieren, dass ein Sturm das System auseinanderreisst. Es ist der erste Mesokosmen-Versuch, der über mehrere Monate angelegt ist: «Wir lassen den Organismen, die hier eingeschlossen sind, viele Generationen Zeit. Viele der Tiere haben Generationszeiten von ein bis zwei Tagen, so dass sie in unseren Mesokosmen 50 bis 100 Generationen durchleben», erzählt Riebesell. Das könnte für die Organismen genug Zeit sein, um sich an die neuen Verhältnisse anzupassen, hofft der Forscher. Vorausgegangene Laborstudien zeigen, dass solche Anpassung durchaus möglich ist.

Andere Studien wiederum belegen, dass viele Organismen ganz und gar nicht mit der Meeresversauerung zurechtkommen. Bei einigen bricht der Stoffwechsel zusammen, bei anderen, die Kalk in ihren Skeletten verwenden, löst sich das Skelett im saureren Wasser auf oder lässt sich nur mit größerem Aufwand bilden; Kalkalgen und Seesternlarven sind besonders davon betroffen. Und wenn Arten gar nicht zurechtkommen, gibt es keine Anpassung, sie verschwinden einfach aus dem Ökosystem.

Noch viele Fragen offen

Gerade ist Algenblüte in Schweden, eins der ganz großen Ereignisse im Jahr und  zentral um die Vorgänge im Meer zu verstehen, erzählt Ulf Riebesell: «Jetzt ist die Phase, wo das Zooplankton Futter kriegt, wo es sich vollfrisst und anschließend die Nachkommen bekommt.» Ein Teil der Blüte wird in den nächsten Tagen einfach absterben und absinken. Die toten Überreste sinken bis auf den Meeresgrund – im realen System genauso wie in den Mesokosmen.

Das Forschungsschiff F.S. Alkor bringt die Mesokosmen aus.
Legende: Im Januar 2013 brachte das Forschungsschiff «F.S. Alkor» die Mesokosmen aus. Im Juli wird es die Röhren wieder abholen. Maike Nicolai, Geomar

Ungeklärt ist ob dieses Absinken von Nährstoffen und Kohlenstoff durch mehr CO2 im Wasser verstärkt oder gebremst wird. Und damit ist offen, ob und wie viel vom Treibhausgas Kohlendioxid die Ozeane in Zukunft aus der Atmosphäre aufnehmen und dauerhaft binden können. Bisher nehmen die Ozeane etwa ein Drittel des CO2 auf, das der Mensch jährlich freisetzt. Ohne diesen Speicher wäre die CO2-Konzentration in der Luft schon heute höher, der Treibhauseffekt wäre stärker.

Im Juli wird das Forschungsschiff F.S. Alkor die Mesokosmen wieder aus dem Fjord holen. Dann ist das Experiment vorbei. Bis die Ergebnisse der Studie ausgewertet sind, wird es allerdings noch viele Monate dauern. Dann jedoch könnten sie dazu beitragen, die offenen Fragen zur Ozeanversauerung zu klären.

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