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Forschen für den Frieden
Aus Einstein vom 24.02.2023.
Bild: SRF abspielen. Laufzeit 36 Minuten 18 Sekunden.
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Besser als der Mensch Eine künstliche Intelligenz für den Frieden

Eine Künstliche Intelligenz der ETH und Universität Zürich soll lernen, Kriegs-Schäden zuverlässig zu erkennen – sogar auf Satellitenbildern, auf denen das menschliche Auge versagt. Das könnte Leben retten und Friedensverhandlungen erleichtern.

Kriege hinterlassen oft immense Zerstörungen. Die Kriegsschäden zu dokumentieren ist entscheidend, um Helfende vor Ort mit den nötigen Sicherheits-Informationen zu versorgen oder zu zeigen, wie gross die Zerstörung tatsächlich ist.

Hoch aufgelöste Bilder zeigen nur kleine Ausschnitte eines Gebietes – wir benötigen aber auch grössere Übersichten.
Autor: Tao Whelan Geodaten-Analystin IKRK

Auch lässt sich damit erkennen, ob Kriegsparteien zum Beispiel ihre Rückzugs-Versprechungen wirklich einhalten – für Friedensverhandlungen sind das oft entscheidende Informationen.

KI wird an Satelliten gekoppelt

Bisher analysieren Expertinnen des Roten Kreuzes dafür hochauflösende Satellitenbilder von Krisenregionen händisch. Das Verfahren ist aufwändig, hochauflösende Aufnahmen teuer. Aber nur so sind Kriegsschäden an Gebäuden für das blosse Auge überhaupt zu erkennen. Und noch eine Schwierigkeit käme hinzu, so die verantwortliche Spezialistin Tao Whelan, «Hoch aufgelöste Bilder zeigen nur kleine Ausschnitte eines Gebietes – wir benötigen aber auch grössere Übersichten.»

Abhilfe schaffen könnte künftig eine künstliche Intelligenz (KI), gekoppelt mit einem mittlerweile altehrwürdigen Satelliten-System der Europäischen Weltraumagentur ESA: «Sentinel-2». Eigentlich wurden diese Satelliten dafür entwickelt, globale Veränderungen in der Vegetation oder bei Gewässern zu beobachten. Jetzt könnten sie auch dem Roten Kreuz gute Dienste erweisen.

Auf dem Bild ist der Satellit Sentinel-2 zu sehen.
Legende: Innerhalb von fünf Tagen zeichnet «Sentinel-2» die Erdoberfläche einmal komplett auf. ESA

Die Auflösung der Sentinel-Bilder ist mit maximal zehn Metern pro Bildpunkt zwar nicht sehr hoch, einzelne Häuser sind daraus für das menschliche Auge nur schwer oder überhaupt nicht zu erkennen. Aber es hat einen grossen Vorteil: Es gibt alle fünf Tage ein Bild von jedem Punkt der Erde  – und noch dazu kostenfrei.

Wir werden sicherlich sehr schnell Ergebnisse sehen – in einem oder zwei Jahren.
Autor: Jan Wegner Fernerkundler an der ETH und Universität Zürich

Die Herausforderung an die KI ist nun, Schäden an mitunter kleinen Gebäuden zu identifizieren, obwohl auf den unscharfen Satellitenbildern oft nicht mehr als graue Schattierungen zu sehen sind. Das müsse das System natürlich erst lernen, sagt der Entwickler der KI, Jan Wegner, Fernerkundler an der ETH und Universität Zürich. Das geschehe mithilfe sogenannter bewiesener Daten: Besonders die Vereinten Nationen verfügen über eine detaillierte fotografische Dokumentation von Kriegszerstörungen weltweit.

Die Fotos mit diesen bewiesenen Daten verknüpft die KI jetzt mit den Farbschattierungen, die auf den unscharfen Satellitenbildern der zerstörten Fläche zu sehen sind. Geschieht dies tausendfach, lernt das System, Zerstörungen schnell und mit einer immer höheren Wahrscheinlichkeit und Verlässlichkeit zu erkennen - sogar «oft besser als der Mensch», wie Jan Wegner sagt. Und wo dennoch Zweifel bestehen, schauen die Expertinnen des Roten Kreuzes nochmals persönlich und genauer hin. «Wir werden sicherlich sehr schnell Ergebnisse sehen – in einem oder zwei Jahren».

Ich möchte die Qualität der Ergebnisse sehen.
Autor: Tao Whelan Geodaten-Analystin IKRK

Eine KI könnte künftig, also preiswert, regelmässig und innerhalb kürzester Zeit die Entwicklungen in jedem Krisengebiet der Erde beobachten, analysieren und dokumentieren.

Ob das System wirklich für einen permanenten Einsatz für das Rote Kreuz taugt, muss sich erst noch zeigen. Tao Whelan sagt, in dieser Beziehung sei sie ein sehr pragmatischer Mensch: «Ich möchte zunächst die Qualität der Ergebnisse sehen und mich mit meinen Kollegen im Einsatz darüber austauschen können, ob sie diese Ergebnisse bei ihrer Arbeit überhaupt konkret nutzen können.»

SRF 1, Einstein, 08.12.2022, 21:05 Uhr

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