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Abstand von nur 70 Kilometern Mögliche Drohgebärde: Russland kommt US-Satellit nahe

Es ist nicht das erste Mal, dass ein russischer Satellit sich einem amerikanischen nähert. Was dabei ausspioniert werden kann, ist unklar.

Darum geht es: Seit Beginn des Monats kommt ein russischer Spionagesatellit einem amerikanischen Spionagesatelliten ungewöhnlich nahe. Offenbar soll der US-Satellit ausspioniert werden. James Dickinson, General des US-Space-Kommandos, bezeichnete diese Annäherung in einem NBC-Interview als «total verantwortungslos».

So ungewöhnlich ist das: «Wir wissen nicht, wie oft das vorkommt», sagt SRF-Wissenschaftsredaktor Christian von Burg, «denn meistens wird gar nicht darüber gesprochen.» Doch es sei zumindest nicht das erste Mal, dass so etwas passiere: «Schon vor zwei Jahren hat ein russischer Satellit seine Bahn so verändert, dass er einem US-Satelliten sehr nahe kam.» Das hätten damals unabhängige Beobachter gemeldet.

Das bedeutet dieser Abstand: Der russische Satellit hat sich auf knapp 70 Kilometer dem amerikanischen angenähert. Für kosmische Verhältnisse ist das sehr nah. Wie man auf diese Entfernung überhaupt etwas herausfinden kann über einen Satelliten, ist dem Wissenschaftsredaktor allerdings nicht klar: «Die Russen wissen, was für Aufklärungssatelliten die Amerikaner betreiben und umgekehrt auch.»

Satelliten im Alltag nicht mehr wegzudenken

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Aufklärungssatelliten, wie sie unter anderem Russland und die USA im All betreiben, sind militärisch immens wichtig. Das sieht man beinahe täglich im Ukraine-Konflikt. Aber auch aus dem zivilen Alltag sind Satelliten grundsätzlich nicht mehr wegzudenken, wie SRF-Redaktor Christian von Burg erklärt: «Man muss nur an die Wettersatelliten denken, die Kommunikationssatelliten, aber vor allem auch an das GPS (Global Positioning System), das vom US-Militär betrieben wird.» Ohne GPS würde beispielsweise die Ortungsfunktion auf dem Handy nicht mehr funktionieren. «Aber auch militärische Truppen oder ferngesteuerte Waffensysteme könnte man nicht mehr lenken ohne GPS.»

Auf diese Distanz würden sie nichts Neues über den amerikanischen Satelliten erfahren. Er sehe diese Annäherung deshalb eher als eine Art Drohgebärde: «Im Sinne von: ‹Wir wissen, wo ihr da oben steckt.›»

Diese Gefahr besteht: Eine weitere Annäherung der beiden Satelliten könnte durchaus negative Konsequenzen haben. Auch wenn es wohl zu keinem direkten Angriff komme. Allerdings wären die grossen Weltraummächte dazu durchaus in der Lage, sagt von Burg. Kürzlich habe ein chinesischer Satellit einen anderen chinesischen Satelliten versuchsweise abgeschleppt respektive aus der Bahn geworfen.

Man kann einen Satelliten natürlich auch von der Erde aus abschiessen. Vier Nationen haben inzwischen bewiesen, dass sie das können.
Autor: Christian von Burg SRF-Wissenschaftsredaktor

«Und man kann einen Satelliten natürlich auch von der Erde aus abschiessen. Vier Nationen haben inzwischen bewiesen, dass sie das können.» Dies seien die USA, Russland, China und zuletzt auch Indien. Diese Länder haben je einen eigenen Satelliten testweise abgeschossen. «Das waren technologische Machtdemonstrationen, verheerende Machtdemonstrationen», so von Burg. «Denn die Tausenden Trümmerteile, die jetzt durch den Orbit rasen, sind gefährliche Geschosse, die weitere Satelliten ausser Gefecht setzen können, auch zivile.»

Das Problem wird laufend grösser: «Auch die Internationale Raumstation ISS musste schon Ausweichmanöver fliegen, weil sie durch den Schrott dieser abgeschossenen Satelliten in Gefahr geriet.» Die zunehmenden Drohgebärden und das Imponiergehabe im All sind letztlich auch für Weltraumorganisationen wie die ESA, der auch die Schweiz angehört, ein ernsthaftes Problem.

SRF 4 News, 18.08.2022, 09:15 Uhr ; 

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