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Energieträger der Stunde Was Sie über Strom in der Schweiz wissen müssen

Wie viel Strom verbrauchen wir jährlich im ganzen Land? Und wofür hauptsächlich? Bringt Stromsparen im Haushalt überhaupt etwas?

Solche Fragen sind angesichts der drohenden Energieknappheit wieder aktueller denn je. Wir haben die wichtigsten Antworten zum Strom in der Schweiz.

Wie viel Strom verbraucht die Schweiz jedes Jahr? 2021 wurden in der Schweiz 58'113 Gigawattstunden (GWh) Strom verbraucht. Eine Gigawattstunde ist in etwa die Energiemenge, die ein grosses Atomkraftwerk wie Gösgen oder Leibstadt in einer Stunde produziert.

Bis Mitte der 2000er-Jahre nahm unser Stromverbrauch stetig zu. Seit knapp 20 Jahren ist er aber relativ stabil. Gleichzeitig ist die Bevölkerung gewachsen – so hat der Pro-Kopf-Verbrauch sogar leicht abgenommen. Er liegt derzeit leicht über dem europäischen Durchschnitt.

Es gibt immer mehr elektronische Geräte: Wieso bleibt der Verbrauch trotzdem stabil? Wir gehen effizienter mit dem Strom um. Beispiel Beleuchtung: Früher zog eine 60-Watt-Glühbirne, wie der Name schon sagt, 60 Watt aus der Steckdose. Eine entsprechende LED-Birne zieht heute nur noch fünf bis zehn Watt – sie ist also rund sechsmal effizienter.

Genauso ist es bei den LED-Bildschirmen. Auch wurden in den letzten Jahren beispielsweise immer mehr Elektroboiler durch Wärmepumpenboiler ersetzt.

Werden wir in Zukunft mehr Strom verbrauchen? Strom macht nur einen Teil des gesamten Energieverbrauchs in der Schweiz aus – wir feuern unsere Industrieanlagen mit Gas an oder fahren mit Benzin. So belief sich der gesamte Energieverbrauch 2021 umgerechnet auf rund 220'756 GWh. Der Anteil der Elektrizität lag dabei bei 26,3 Prozent.

Damit wir die Klimaziele erreichen, muss der Gesamtenergieverbrauch sinken – der Anteil des Stroms am Gesamtmix jedoch wird steigen.

Gemäss der Energiestrategie des Bundes muss die Schweiz wegkommen von fossilen Energieträgern wie Erdgas und Erdöl, die viel klimaschädliches CO2 verursachen. Ersetzt werden sie in vielen Bereichen durch Strom-Alternativen.

«Wir werden im Verhältnis mehr Strom verbrauchen müssen – aber insgesamt weniger Energie», sagt Christian Schaffner, Leiter des Energy Science Center der ETH. «Wenn wir von Gasheizung auf eine elektrische Wärmepumpe umstellen, nimmt der Stromverbrauch zwar zu, der Energieverbrauch insgesamt nimmt aber ab.» Dasselbe gilt für Induktionsherde, die energieeffizienter sind als Gasherde. Und für Elektroautos, die besser abschneiden als Benziner.

Wichtig dabei: Der erhöhte Strombedarf muss durch erneuerbare Energien gedeckt werden. In der Schweiz soll in den nächsten 10 bis 20 Jahren vor allem die Solarenergie ausgebaut werden.  

Wofür wird der Strom verbraucht? Der Stromverbrauch fällt in der Schweiz auf die folgenden Bereiche:

Die privaten Haushalte verbrauchen über ein Drittel des Schweizer Strombedarfs. Die grössten Posten machen laut dem Bundesamt für Energie Kochen, Spülen, Waschen und Trocknen aus.

Bringt es als Einzelperson überhaupt etwas, Strom zu sparen? «Letztlich hilft jede Kilowattstunde, die eingespart wird», so Energieexperte Christian Schaffner. Vor allem vor einem drohenden Engpass diesen Winter.

Die Energiesparkampagne des Bundes nimmt die Bürger ganz direkt in die Pflicht, elektrische Geräte und Licht auszuschalten, wenn sie nicht gebraucht werden.

Dass unser Verhalten einen Effekt hat, zeigte eine Stromsparkampagne in Japan nach dem Reaktorunfall in Fukushima 2011. Je nach Region konnten  8 bis 18 Prozent Strom gespart wurden. Unter anderem hatte die Regierung dazu aufgerufen, im Sommer nicht mehr mit Anzug und Krawatte arbeiten zu gehen, damit die Büros weniger gekühlt werden mussten.

Noch ist unsere Situation nicht so extrem. «Wir wissen aber durch die Corona-Pandemie, dass unsere Gesellschaft fähig ist, sich von einem Tag auf den anderen grundlegend zu ändern, wenn es nötig ist», sagt Christian Schaffner. Zudem habe die Energiekrise ein neues Bewusstsein dafür geschaffen, dass Energie nicht einfach da ist und günstig ist. Der Energieexperte sieht das als Chance.

Stromsicherheit: Warum wir unsere Nachbarn brauchen

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Porträt von Christian Schaffner
Legende: Christian Schaffner leitet das Energy Science Center der ETH Zürich Christian Schaffner

Herr Schaffner, 2021 hat die Schweiz rund 31'532 Gigawattstunden Strom importiert und 29'119 GWh exportiert. Da könnten wir uns doch genauso gut selbst versorgen?

In der Stromproduktion gibt es grosse Schwankungen. Es kann sein, dass wir in einer Stunde importieren und in der nächsten exportieren. Über das Jahr hinweg sind Im- und Export relativ ausgeglichen.

Es geht also um einen stabilen Stromfluss?

Wenn zum Beispiel ein Kernkraftwerk ungeplant abgeschaltet werden muss, was es durchaus immer mal wieder geben kann, fällt innerhalb kürzester Zeit ein grosser Teil der Stromproduktion in der Schweiz aus. Kompensieren können wir das nur durch Strom aus Europa, das passiert ganz automatisch innerhalb von Sekundenbruchteilen. Deshalb ist das Schweizer Stromnetz so zuverlässig! Und es funktioniert nur, weil wir technisch in das europäische Stromnetz eingebunden sind.

Wir importieren vor allem im Winter und exportieren im Sommer - warum?

Im Sommer können wir mehr Strom produzieren. Es gibt mehr Sonnenenergie und die Wasserwerke produzieren dank Schneeschmelze und Regenfällen. Im Winter hingegen fällt der Niederschlag als Schnee und ist für die Stromproduktion wenig brauchbar.

Wir hingegen verbrauchen mehr Strom: Zum Beispiel werden Trams und Züge elektrisch geheizt und in vielen Chalets in den Skigebieten läuft typischerweise die Elektroheizung.

In unseren Nachbarländern sieht es anders aus. Sie haben weniger Wasserkraftwerke, dafür mehr Wind – und der fällt im Winter an. Und wir können ihren Strom importieren.

SRF 1, Club, 06.09.2022, 22:30 Uhr

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