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Mikroskop-Kunst Vergoldeter Kot und Science-Fiction-Flöhe

Martin Oeggerli vergrössert winzige Bakterien unter dem Mikroskop 1500-fach. Durch akribische Handarbeit lässt er sie wie bizzare Kunst aussehen.

Die Bilder sind spektakulär: Ein Floh sieht hundertfach vergrössert aus wie ein Wesen aus einem Science-Fiction-Film. Menschlicher Kot wirkt 1500 Mal vergrössert wie ein lustiger Haufen Haribo-Schleckereien.

Mikroskopaufnahme: Ain Haufen bunter Stäbchen.
Legende: Der schöne Schein trügt: Was ein wenig wie Süssigkeiten aussieht, ist in Wahrheit menschlicher Kot. M. Oeggerli, supported by Pathology, University Hospital Basel, School of Life Sciences, FHNW, and C-CINA, Biozentrum, University Basel

Der Aufwand für ein solches Bild ist immens. Das wird bei einem Besuch im Mikroskopie-Zentrum der Uni Basel klar. Hier arbeitet Martin Oeggerli.

Oeggerli ist von Haus aus Biologe und hat früher in der Krebsforschung gearbeitet. Seit zehn Jahren aber widmet er sich ausschliesslich der künstlerischen Arbeit am Rasterelektronenmikroskop.

Aufwändige Präparation

Bevor Oeggerli sein Objekt überhaupt durch das Mikroskop betrachten und abbilden kann, muss er ein aufwändiges Präparat machen. Will er etwa menschliche Darmbakterien auf einem Zahnstocher betrachten, muss er diese erst abtöten.

Präparate von Insektenbeinen und -stacheln
Legende: Erst der Anfang: Präparate von Insektenbeinen und -stacheln in Oeggerlis Labor. SRF / Christian von Burh

Damit die getöteten Bakterien nicht verschrumpeln und weiterhin lebensecht wirken, ersetzt Oeggerli das Wasser in den Zellen erst durch Alkohol und danach durch flüssiges CO2. Schliesslich wird das klitzekleine Präparat unter kontrolliertem Druck getrocknet.

Kot mit Goldstaub

Das Rasterelektronenmikroskop tastet anschliessend die Oberfläche der Bakterien mit einem feinen Strahl von Elektronen ab – Zeile für Zeile entlang eines virtuellen Rasters.

Damit das funktioniert, muss die Probe erst elektrisch leitfähig gemacht werden. Sie wird dafür ganz fein mit Goldstaub bedampft. Der menschliche Kot, der die Bakterien trägt, wird also vergoldet.

Nur ein Dutzend Bilder pro Jahr

Erst jetzt lässt sich auf dem Zahnstocher langsam näher zoomen und eine spannende Stelle suchen. Langsam rastert das Mikroskop Zeile für Zeile. Etwa fünf Aufnahmen macht Oeggerli so pro Tag.

«Wenn eine davon gut ist, bin ich glücklich», sagt er. Aber damit ist erst ein kleiner Teil der Arbeit getan. Denn nun gilt es, die geglückte Aufnahme so einzufärben, dass sie einfach lesbar und optisch attraktiv wird.

Diese Arbeit dauert bis zu einem Monat pro Bild. Durch das Einfärben lässt sich etwa eine unverdaute Nahrungsfaser im Kot deutlich erkennen und die zahlreichen verschiedenen Bakterienarten darauf. Sie machen bis zur Hälfte unseres Darminhaltes aus.

Ein Katzenfloh für Hollywood

Dieser Aufwand lohnt sich: Vor einigen Jahren bekam Oeggerli eine Anfrage von einer Produktionsfirma aus Hollywood, die begeistert war von der Qualität seiner Bilder.

Mikroskop-Nahaufnahme eines Flohs
Legende: Hollywood meldete Interesse an Oeggerlis Katzenfloh an. M. Oeggerli, supported by Pathology, University Hospital Basel, School of Life Sciences, FHNW, and C-CINA, Biozentrum, University Basel

Er sollte einen einminütigen Rundflug um einen Katzenfloh produzieren. Oeggerli sagte ab: Das sei viel zu aufwändig.

Aber die Produktionsfirma liess nicht locker – und schickte ihm sogar ein 1.5 Millionen Franken teures Elektronenmikroskop nach Basel.

Das Mikroskop bleibt im Basler Labor

Schliesslich gelang es Oeggerli, die Filmsequenz aus 10 aufwändig kolorierten Bildern zu rechnen. Sie war als Teil des längeren Dokumentarfilms «Mysteries of the Unseen World» (2013) weltweit in den Kinos zu sehen.

Ein Mann sitzt an einem Tisch mit mehreren Screens, daneben ein Mikroskop.
Legende: Ohne Mikroskop (rechts) keine Bilder: Oeggerli an seinem Arbeitsplatz an der Universität Basel. SRF / Christian von Burg

Das Mikroskop konnte die Universität Basel den Amerikanern danach zu einem guten Preis abkaufen. Es steht bis heute am Center for Cellular Imaging and NanoAnalytics in Basel. Martin Oeggerli darf es regelmässig benutzen.

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