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Mikroskopische Revolution Wie das Mikroskop die Forschung revolutionierte

Vor rund 400 Jahren beginnt in der Forschungswelt eine Revolution: Die Mikroskopie entfaltet sich und öffnet Türen in unbekannte Welten. Mitten drin: ein Brite, ein Holländer und die Royal Society, die britische Wissenschaftsgesellschaft.

Verlasse dich nie nur auf das Wort von jemandem: «Nullius in verbam» – dieses Motto geben sich die zwölf Männer, die im November 1660 in London die Royal Society zu gründen – sie wollen eine moderne Wissenschaft, die auf Experimenten und Fakten basiert. Heute ist die britische Royal Society eine der renommiertesten Akademien der Wissenschaften.

Die zwölf Männer – allesamt gestandene Forscher – treffen sich von da an jede Woche. Als Kurator, der für sie Experimente organisieren soll, heuern sie den gerade 27 Jahre alten Robert Hooke an. Ausgerechnet er wird Geschichte schreiben.

«Der damalige König Charles II. gibt dem Astronomen und Mitbegründer Christopher Wren den Auftrag, sich der Mikroskopie zu widmen, und zu berichten, was diese neue Technologie kann», so Keith Moore, Archivar der Royal Society. Das Forschungsfeld kam damals gerade auf, Galileo Galilei hatte 40 Jahre zuvor die ersten Mikroskope gebaut.

Doch Christopher Wren findet, er hat Wichtigeres zu tun, und gibt den Job weiter an Hooke.

Der stürzt sich in die Arbeit. Er entwirft eigene Lichtmikroskope (siehe Bild-Slider), fertigt beim Blick durchs Mikroskop wunderschöne Zeichnungen an und hält schriftlich genau fest, wie er vorgeht. Bald ist klar, er wird daraus ein Buch machen. Es erscheint, verlegt von der Royal Society, 1665 unter dem Namen « Micrographia ».

Die Royal Society, Robert Hooke & Antoni van Leeuwenheok

 Das Buch schlägt ein. «Es ist eins der ersten populärwissenschaftlichen Bücher», sagt Keith Moore, «fast jeder, der zu der Zeit Zugang zu Büchern hatte, besass entweder eine Kopie oder kannte das Buch zumindest».

Hooke zeigt darin den Blick auf eine Rasierklinge, die unter der Mikroskoplinse nicht mehr glänzend und scharf aussieht, sondern voller Scharten und Imperfektionen.  Er zeigt, wie Grassamen unter dem Mikroskop aussehen. Er zeigt die Details von Schimmel, eine Ameise, das Auge einer Fliege.  

Was Buch und Bilder so stark wirken lässt: Erstmals wird der Gegensatz deutlich zwischen menschgemachten Gegenständen, die alles andere als perfekt sind, und der Natur, die, egal wo man hinschaut, wunderschön ist. «Man kann den Zauber von «Micrographia» nur verstehen, wenn man diesen Gegensatz ernstnimmt», sagt Louisiane Ferlier, bei der Royal Society für die Digitalisierung von Archivmaterialien zuständig.

Ein paar Jahre nach der Veröffentlichung liest in den Niederlanden ein Tuchhändler «Micrographia». Auch er ist fasziniert.

Der Beginn der modernen Wissenschaft

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Anfang des 17. Jahrhunderts war es Francis Bacon, der als Erster forderte, Wissenschaft dürfe keiner Autorität blind vertrauen. Er fand, Wissenschaft müsste auf überprüfbaren Experimenten beruhen, die jeder, der die Mittel dazu hat, wiederholen können sollte. – Diese Prinzipien gelten in der Wissenschaft bis heute. Auch das, was bis heute unter Forschenden «gute Praxis» ist – Ergebnisse mit Kollegen diskutieren und sich skeptisch hinterfragen lassen, die Methoden der eigenen Arbeit offenlegen, so dass andere die Experimente wiederholen können – wurde im 17. Jahrhundert zum ersten Mal diskutiert und praktiziert.

Erst ahmt er Hooke nach, dann baut er seine eigenen Mikroskope. Und die sind komplett anders. «Sie haben eine kleine Metallplatte und darin eingelassen ist eine einzelne, sehr kleine Linse. Dazu gibt es eine Metallspitze, auf die man aufbringt, was man anschauen will», sagt Keith Moore. Leeuwenhoek schafft bis zu 250-fache Vergrösserungen, fast das Zehnfache von Hooke. Der Niederländer ist der Erste, der Einzeller und Bakterien sieht, und beschreibt als Erster rote Blutkörperchen und Spermien.

«Es war eine wunderbare Zeit, um Forscher zu sein», sagt Archivar Keith Moore. «Alles, was Hooke und Leeuwenhoek sich angeschaut haben, war neu».

Heute gelten die beiden Männer als Begründer der Mikroskopie, ohne die wir heute viele biologische Kenntnisse und medizinische Behandlungen nicht hätten. Die Royal Society ist ihrem Motto gerecht geworden.

Radio SRF 4 News, Wissenschaftsmagazin,

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