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Technik Lauberhorn-Abfahrt: Jagd nach immer besseren Bildern

Die Lauberhorn-Abfahrt in Wengen ist weltbekannt. Nicht nur, weil sich hier Spitzenskifahrer auf der längsten Strecke der Welt messen. Sondern auch, weil die Kulisse unverwechselbar schön ist. Das alles will richtig in Szene gesetzt werden. Dafür braucht es eine ganze Armada von Kameras.

Viel Zeit haben Beat Zumstein und Beni Giger nicht, um Skifahrer zu Helden zu machen: 4 Sekunden am Start, um die enorme Konzentration und Anspannung zu zeigen. 20 Sekunden im Zieleinlauf mit allen Emotionen: Glück, Wut, Enttäuschung. Und dazwischen «an bestimmten Stellen ein paar Details», sagt Zumstein, der seit fast zehn Jahren SRF-Produktionsleiter der Lauberhorn-Abfahrt ist.

Beat Zumstein sitzt in seinem Büro mit Blick auf den Zieleinlauf der Lauberhornabfahrt.
Legende: «Das schönste Büro habe ich»: Das Produktionsbüro von Beat Zumstein hat nicht mehr als 6 Quadratmeter, aber er blickt direkt auf den Zieleinlauf. SRF/ Corinna Daus

Gerade schaut er sich den ersten Trainingslauf an. Matthias Meyer aus Österreich liefert die Bestzeit. Der Schweizer Carlo Janka ist Zweiter. In wenigen Tagen, wenn es um den Sieg geht, wird Zumstein in seinem Produktionsbüro mit Blick auf den Zieleinlauf sitzen und dafür sorgen, dass die Fernsehübertragung glatt über die Bühne geht.

Insgesamt 24 Kameras hat Regisseur Beni Giger entlang der Rennstrecke aufgebaut, 20 Kameraleute sind im Einsatz, um den Zuschauern mit spektakulären Bildern die Erfolge und Niederlagen der Sportler direkt ins Wohnzimmer zu beamen. «Wenn die Skifahrer die 4,5 Kilometer lange Piste herunterfahren, geben sie alles. Und das versuchen wir den Zuschauern zu vermitteln: die Anstrengung, die Schwierigkeit, das Siegesglück», sagt Zumstein.

Immer neue Perspektiven

Am berühmten Hundschopf haben sie dafür zum ersten Mal eine HiMotion-Kamera im Einsatz. Sie liefert Bilder in Superzeitlupe – statt 24 Bildern pro Sekunde macht sie 1000. Mit so einer Kamera können die Zuschauer eine Verkantung oder einen rasanten Sprung bis ins kleinste Detail nachvollziehen.

360-Grad-Video

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Bruno Kernen fährt die Lauberhorn-Strecke mit einer Spezial-Kamera: die längste Weltcup-Abfahrt als rasantes 360-Grad-Erlebnis. Mehr

Premiere hat auch eine Gopro-Kamera, die im Schnee verbuddelt werden soll, «die kleine Kamera, die alle auf dem Helm tragen, es ist unglaublich, was die leistet», begeistert sich Beni Giger. Die GoPro wird er wahrscheinlich irgendwo an einer Torstange platzieren, so dass die Rennski direkt daran vorbei fahren. Das gibt wieder einen neuen Blickwinkel, noch mehr Dynamik. Und einen Vorteil im «Wettkampf» um die besten TV-Bilder, der hier Wengen gegen Kitzbühel heisst.

Schweiz gegen Österreich

Denn so viel anders als auf der Piste geht es auch im TV-Produktionszentrum nicht zu. «Es geht darum, bei der Skisport-Übertragung besser als die Österreicher zu sein», sagt Zumstein mit einem Grinsen.

Die Lauberhorn-Abfahrt vor der spektakulären Kulisse des Dreigestirns Eiger, Mönch und Jungfrau ist das Symbol schlechthin für alpinen Skirennsport. Sie ist aber auch das Aushängeschild des Schweizer Fernsehens, wenn es um Skisportübertragung geht.

Zahlen zur Produktion

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Insgesamt sind 65 Personen beteiligt. 24 Kameras und 20 Kameraleute sind im Einsatz. 10 Kilometer Kabel und 20 Tonnen Material wurden zum Lauberhorn gebracht. Für 3 Tage Produktion wird 3 Tage aufgebaut, 2 Tage trainiert und 1 Tag abgebaut. Das SRF überträgt die Abfahrt seit 1960; letztes Jahr schalteten 784‘000 Menschen aus der Schweiz zu.

Dank der professionellen Produktion der Lauberhorn-Abfahrt, hatten die Schweizer den Zuschlag bekommen, das Weltsignal sämtlicher Alpin-Ski-Rennen von den Olympischen Spielen 2014 in Sotchi zu liefern. Sie haben sogar einen Preis dafür gewonnen. Auch jetzt werden ihre Live-Bilder im österreichischen TV, in Deutschland, auf der ganzen Welt gezeigt. Ausruhen kommt also nicht in Frage.

Ein Sprung fürs Fernsehen

Beat Zumstein und Beni Giger sind ständig auf der Suche nach neuen Perspektiven. «Die Streckenführung hat sich seit 1970 nicht wesentlich verändert», sagt Zumstein, «das Rennen ist gegeben. Es findet immer von oben nach unten statt.» Aber die Zuschauer wollen nicht immer die gleichen Bilder sehen. Das führte vor rund zehn Jahren sogar zu einer Änderung in der Streckenführung.

Damals wurde ein Tor umgestellt und ein kleiner Buckel eingebaut, damit die Fernsehkameras beim Sprung der Fahrer das Silberhorn im Hintergrund zeigen konnten. Seitdem heisst der Sprung Silberhornsprung.

Für die TV-Produzenten sind solche Bilder immens wichtig. «Die Zuschauer brauchen Merkmale, damit sie sich sich im Rennen zurechtfinden», erklärt Zumstein, «sie sollen selbst herausfinden können: Wo genau ist der Fahrer, ist er schnell oder nicht?» Auch die Wengentalbahn oder das Brückli sind solche Orientierungspunkte.

Quantensprünge

Über allem kreist seit 2009 die Helikopter-Kamera Cineflex und liefert neben der Orientierung spektakuläre Luftbilder vom ganzen Tal. Sie wurde ursprünglich von der vom US-amerikanischen Geheimdienst CIA für Spionagezwecke entwickelt und macht auch bei Tempo 300 absolut wackelfreie Bilder. Dazu kann ihr 42-facher Zoom Details heranholen, die für das menschliche Auge längst nicht mehr zu sehen sind.

Ein Quantensprung verglichen mit den ersten Helikopter-Kameras vor 25 Jahren. Damals sass der Kameramann noch in der Tür, er und die Kamera am Heli festgebunden, und machte wackelige Luftaufnahmen.

Wird der Zuschauer zum Regisseur?

Jetzt lehnt sich Beat Zumstein entspannt zurück. Der Probelauf der Skifahrer ist beendet. Morgen wird es spannend, dann ist Probetag für die Kameraeinsätze. Diesmal leider ohne die Drohne, die seit 2012 an Hundschopf und Minschkante gefilmt hat – die Rechtslage sei zu unklar und die Technik für dieses Jahr zu teuer. Als Herr über das Budget befindet er sich im ständigen Spagat zwischen neuester Kameratechnik und Kostenkontrolle.

Was die Technik für die Skisport-Übertragung in den nächsten Jahren hervorbringen wird, sei noch nicht absehbar, sagt er. Die einzige Entwicklung, vor der dem 50-Jährigen ein wenig graut, ist die Verbreitung der Second Screen. Wenn immer mehr Zuschauer mit ihrem Tablet vor dem Fernseher sitzen und sich einst aus den verschiedenen Kameraperspektiven ihr eigenes Lauberhorn-Rennen zusammenbauen. Dann könnte Zumstein und seine Crew sie nicht mehr mit seinen Geschichten von gescheiterten Helden und strahlenden Siegern verführen.

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