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Legende: Alarm bei Gamma- oder Neutronen-Strahlung: Das innerhalb eines EU-Projekts entwickelte System misst Strahlung, indem es sie in Licht verwandelt. SRF

Technik Plutonium, Bananen, Katzenstreu

Staaten wollen verhindern, dass gefährliches radioaktives Material über ihre Grenzen gelangt. Ein Zürcher Start-up hat die Erkennung solcher Stoffe verbessert – und die USA und Grossbritannien als Kunden gewonnen. Doch das Ergebnis der Zuwanderungs-Initiative wird solche Erfolge künftig erschweren.

Mit seiner Doktorarbeit am Kernforschungszentrum Cern hat der Physiker Rico Chandra den Grundstein für die Firma gelegt, die er heute führt. Seine Technik kann radioaktives Material erkennen – sie zeigt ausserdem an, um welchen Stoff es sich genau handelt.

Denn: Nicht alle Materialien, die strahlen, werden unweigerlich dem Menschen gefährlich. Katzenstreu, Granit, gar Bananen und Blumenkohl beispielsweise sind von Natur aus radioaktiv. Werden diese Waren über See- oder Flughäfen in Länder eingeführt, schlagen die Detektionsgeräte an.

Die Schweizer Entwicklung verhindert, dass jede dieser harmlosen Ladungen gestoppt und untersucht wird. Damit hat der Zürcher Jungunternehmer internationales Interesse geweckt. Die britische und die US-Regierung gehören bereits zu seinen Kunden.

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Die Schweiz nimmt seit Jahrzehnten an Forschungs-Rahmenprogrammen der EU teil. Zwischen 2007 und Mitte 2012 sind umgerechnet rund 1,5 Milliarden Franken Fördermittel in die Schweiz geflossen. «Horizon 2020», aus dessen Finanzierung Schweizer Forscher nun ausgeschlossen sind, hat ein Gesamtbudget von 80 Milliarden Euro. Mehr dazu hier

Zusammen mit einer zweiten Physikerin sowie einem Betriebswirtschaftler hat Rico Chandra 2007 das Unternehmen Arktis Radiation Detectors als ETH-Spin-off gegründet. Seit Anfang 2012 ist das Zürcher Start-up zudem Teil eines EU-weiten Projekts. Für « Modes SNM » stellt die Europäische Union 2,5 Millionen Euro zur Verfügung. Sie finanziert eine Reihe von Arbeitsgruppen, um den Schutz vor Radioaktivität zu stärken und begründet das in einem Massnahmen-Papier so: «Die Sicherheit in Bezug auf nukleare Materialien war immer eine der obersten Prioritäten der Europäischen Union.»

Ein Konsortium aus Universitäten, Firmen und staatlichen Stellen hat innerhalb von «Modes SNM» ein Fahrzeug entwickelt, dessen Technik Radioaktivität erkennen kann. Aktuell finden an sensiblen Ein- und Ausfuhrstellen in Europa – vor allem See- und Flughäfen – Tests mit einem Prototypen statt. Neben Arktis Radiation Detectors, die das Herzstück des mobilen Systems liefern, ist die ETH Zürich als zweiter Schweizer Vertreter in dem Konsortium zugegen, das insgesamt aus acht Teilnehmern besteht.

Masseneinwanderungs-Initiative als Problem

Hätte die Abstimmung «Gegen Masseneinwanderung» vom 9. Februar 2014 vor drei Jahren stattgefunden, wäre Rico Chandra mit seinem Start-up heute nicht so weit.

Die Schweizer Entscheidung hat Finanzierungen im Rahmen von EU-Projekten unmöglich gemacht. Aus dem künftigen Förderprogramm «Horizon 2020» der Europäischen Union wird die Schweiz ausgeschlossen.

Das ist aus Sicht des Vertreters der Europäischen Kommission bedauerlich, der bei Tests des Systems am Hafen in Dublin anwesend ist. «Ich finde, das war keine gute Entscheidung», sagt Will van Heeswijk. «Die anderen Länder werden weitermachen. Und ich denke, dass sich die Schweiz isoliert.»

Vor wenigen Tagen hat der Bundesrat beschlossen, das Geld für Schweizer Teilnehmer in EU-Projekten solle nun vom Bund kommen, und er will dafür 500 Millionen Franken bereitstellen. Am Beispiel Arktis Radiation Detectors wird aber klar: Es geht um mehr als um das Stopfen des Finanzierungs-Lochs.

Schweizer Forscher werden unattraktiver

Rico Chandra berichtet, er merke bereits jetzt, dass Schweizer Teilnehmer für derartige Projekte uninteressanter würden. Zur Anmeldung für ein EU-Projekt gelte es, ein möglichst internationales Team zusammenzustellen. «Beispielsweise gab es häufig die Voraussetzung, dass ein Konsortium Teilnehmer aus mindestens drei verschiedenen Mitgliedstaaten beinhaltet», so Rico Chandra.

Da die Schweiz nun als Drittstaat zähle, sei das Interesse gesunken, sie im Boot zu haben. Ebenfalls nachteilig wirke sich die Unsicherheit aus. «Viele wissen nicht, ob und in welcher Form Schweizer Firmen oder Forschungseinrichtungen teilnehmen können.» Für laufende Projekte wie jenes, in das Arktis Radiation Detectors involviert ist, gelten diese Hürden nicht. Das Schweizer Unternehmen habe nach eigenen Angaben rund eine halbe Million Euro EU-Gelder erhalten. Künftige Projekt-Bewerbungen werden aber unter schlechteren Vorzeichen stehen.

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