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Benedikt Meyer am Science Slam Basel 2018
Aus Wissenschaftsmagazin vom 24.11.2018. Bild: zvg
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Trend Science Slams «Langweiler werden an der Uni sogar belohnt»

Wenn Benedikt Meyer erklärt, wie Fortschritt entsteht oder warum am Bahnhof Basel zwei Uhren hängen, ist ihm das Publikumsgelächter garantiert. Der Science Slammer erzählt, weshalb er sich als Historiker vom Wissenschaftsbetrieb verabschiedet hat und lieber im Rampenlicht steht.

Benedikt Meyer

Benedikt Meyer

Historiker

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Benedikt Meyer hat in Bern, Basel und Bordeaux Geschichte, Psychologie und Wirtschaft studiert. Er hat zur Geschichte der Schweizer Luftfahrt promoviert. Der gebürtige Basler ist Buchautor, schreibt Museums-Texte und tritt in Science-Slam-Wettbewerben auf.

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SRF: Sie sind voll im Element auf der Bühne – stimmt der Eindruck?

Benedikt Meyer: Ja, mir gefällt der direkte Kontakt zum Publikum. Wobei ich durchaus auch Lampenfieber habe und mein erster Science-Slam-Auftritt vor vier Jahren an der ETH Zürich eine Mutprobe war. Aber es hat dann riesig Spass gemacht, und seither habe ich immer mal wieder an Science Slams mitgemacht.

Was treibt Sie an?

Ich will meine Entdecker-Freude weitergeben – wie seinerzeit Archimedes. Von diesem griechischen Mathematiker und Physiker erzählt man sich, dass er einst in der Badewanne sass. Dabei merkte er, dass sein Körper Wasser verdrängt und einen Auftrieb verursacht. Vor Aufregung ist er nackt auf die Strasse gerannt, hat laut «Heureka!» gerufen, also «Ich hab’s!», und allen Leuten von seiner Entdeckung erzählt. Diese Begeisterung kenne ich auch. Auf einer Science-Slam-Bühne kann ich die ganz unmittelbar rüberbringen.

Was war denn der letzte «Heureka-Moment», der Sie zu einem Science-Slam animiert hat?

Das war während meiner Recherchen zu einem Roman, der demnächst erscheint. Dort erzähle ich die Geschichte meiner Urgrossmutter. Sie ist im 19. Jahrhundert nach Ohio ausgewandert und auf ihrer Reise am Bahnhof Basel vorbeigekommen. Auf historischen Bildern von jenem Bahnhof fiel mir auf: Seine beiden Uhren liefen damals nicht synchron. Ich fand das spannend, habe nach dem Grund geforscht und daraus ist denn quasi nebenbei ein Science Slam entstanden.

Worum geht es in diesem Bahnhofsuhren-Science-Slam?

Darum, wie die Eisenbahn unsere Zeit verändert hat. Jahrhundertelang hatte jede Stadt ihre eigene Lokalzeit gehabt. Zwölf Uhr war einfach dann, wenn die Sonne am höchsten stand, in Bern etwas früher, in Basel etwas später. Doch als im 19. Jahrhundert die Eisenbahn aufkam, funktionierte das nicht mehr. Es gab Zugsunfälle mit Toten, weil die Lokführer sich nicht einig waren, wie spät es ist. So hat mit den Jahren die Eisenbahn zu einer Vereinheitlichung der unterschiedlichen Zeiträume geführt.

Aber nicht am Bahnhof Basel.

Genau – weil hier Züge in die Schweiz, aber auch nach Frankreich fuhren. In der Schweiz hatte man sich aber dummerweise auf eine andere Zeit geeinigt als in Frankreich. Die zwei Basler Bahnhofsuhren zeigten daher unterschiedliche Zeiten an – immer wieder aufs Neue übrigens, weil das Elsass mehrmals von den Deutschen erobert wurde.

Science Slams

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Science-Slams sind wissenschaftliche Kurzvortrags-Wettbewerbe, wo Forschende in zehn Minuten ihre Arbeit unterhaltsam präsentieren. Bekannte Bestseller wie «Darm mit Charme» sind aus Science Slams hervorgegangen.

scienceslam.ch

Auf der Bühne ernten Sie mit Ihren Geschichte viele Lacher. Haben Sie es einfacher als Forschende mit weniger alltagsnahen Themen?

Das würde ich nicht sagen. Wichtiger als das Thema ist die Vermittlung. Das Publikum muss merken, dass die Person auf der Bühne weiss, wovon sie spricht. Und dass sie ein inneres Feuer dafür hat. Dann kann der Funke aufs Publikum überspringen. Wenn sich jemand für asiatische Springmäuse begeistert und mir mit diesem Feuer von denen erzählen kann, höre ich gerne zu.

Im Vergleich zu Deutschland erhalten Science-Slammer in der Schweiz einen kleineren Unkostenbeitrag. Fördert der Schweizer Wissenschaftsbetrieb kommunikative Fähigkeiten zu wenig?

Die Unis betonen heute zwar stets, wie wichtig Kommunikation sei, doch diese Botschaft ist noch nicht in den Herzen der Wissenschaftler angekommen. Anderswo, vor allem im englischsprachigen Raum, ist Kommunikation für die Wissenschaftler eindeutig wichtiger.

Zugleich gibt es Fehlanreize im wissenschaftlichen System: Was nämlich wirklich zählt, ist, dass man viel forscht und publiziert. Die Studentenbetreuung dagegen bringt die Karriere nicht voran, im Gegenteil: Je kleiner der Aufwand dafür, desto mehr kann man forschen. Wenn also ein Professor langweilige Seminare hält, in die kaum Studenten kommen, wird er sogar belohnt. Wegen solcher Mechanismen habe ich meine Unikarriere dann auch beendet.

Heute setzen Sie als «freier Historiker» voll auf die Karte Wissenschaftskommunikation. Was braucht’s, damit mehr Schweizer Wissenschaftler sich mit Ihnen auf die Bühne stellen?

Mehr Unterstützung durch die Universitäten würde in der Schweiz sicher helfen. Wir sind auch daran, die etwas verzettelte Szene besser zu vernetzen. Es gibt neuerdings das Netzwerk Scienecslam.ch. Vielleicht gelingt es ja demnächst sogar, die nötigen Gelder aufzutreiben, um den ersten Nationalen Science Slam auf die Beine zu stellen, wo man den Titel «Schweizer Science-Slam-Meister» gewinnen kann statt wie heute mal einen in Zürich, mal einen in Schaffhausen oder anderswo. Das könnte auch scheuen Leuten einen Kick geben.

Das Gespräch führte Anita Vonmont.

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