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50 Jahre Apollo 8 Kleine Kugel, grosse Augen

Sie flogen zum Mond – und entdeckten die Erde. Eine Weihnachtsgeschichte der besonderen Art.

Erst drei Tage zuvor hatten sie als erste Menschen die Schwerkraft der Erde vollständig überwunden. Aber als die Apollo 8-Astronauten am 24. Dezember 1968 an der Rückseite des Mondes vorbeikurven, bekommen sie noch etwas Unvorstellbares zu Gesicht: den Aufgang der Erde am Horizont des Mondes.

Die Männer sind verblüfft. «Damals war die Raumfahrt noch vollkommen auf den Mond fokussiert», sagt Robert Poole, Astro-Historiker der britischen Universität von Cumbria. «Niemand hat sich Gedanken gemacht, was passieren könnte, wenn die Astronauten die Erde sehen.»

Die Erde als Ganzes

Es gibt Tonaufnahmen von diesem Moment. Poole erzählt: «Da ruft einer: ‹Hey schau mal, das ist die Erde. Wow, ist das schön. Gib mir schnell die Kamera, nein nicht diese, gib mir den Farbfilm. Mach schnell ein gutes Foto, geh aus dem Weg.› Der Capt'n musste sie ermahnen, Ruhe zu bewahren.»

Die Astronauten machten keine perfekten Fotos, aber solche mit enormer Wirkung. Über der grauen Mondoberfläche, vor schwarzem Hintergrund wölbt sich die von der Sonne beschienene Halbkugel der Erde: blau die Ozeane, weiss die von Strömungen geschwungenen Wolkenbänder, beige und grün die Kontinente.

Zum ersten Mal sahen Menschen die Erde als Ganzes. Die Bilder schlugen auf der Erde ein wie ein Komet. «Die Menschen sagten, dass die Fotos von der Erde ihnen zum ersten Mal vor Augen geführt hätten, wie verletzlich die Erde sei. Dass sie sehr klein und ein in sich geschlossenes System sei», sagt Poole.

«Man sprach damals oft vom ‹Raumschiff Erde›. Und konnte sehen, dass wir eine klar begrenzte Atmosphäre beschmutzen. Dass es keinen alternativen Ort für uns gibt. Dass alles, was wir tun, Spuren auf dieser winzig kleinen Erde hinterlässt.»

Diese Einsicht habe der Idee von einer Menschheit, die ihren Planeten dauerhaft verändert, zu einer Glaubwürdigkeit verholfen, die es in diesem Ausmass zuvor nicht gab, sagt Poole. «Damals glaubten wir noch, der Himmel dehne sich unendlich aus.»

Die Schnappschüsse der Apollo-8-Crew politisierten und sensibilisierten in den 1970er-Jahren Millionen von Menschen für die Verletzlichkeit ihres Planeten.

Sprengkraft der Schnappschüsse

«Da merkten wir, dass nicht die ersten Schritte auf dem Mond das Wichtigste der Mission waren. Sondern dass der Mensch zum ersten Mal die Erde sah», sagt Poole.

Die aufkommende Umweltbewegung erkannte rasch das Potential und die Macht dieser Bilder. Wo immer Umweltaktivisten unterwegs waren, wurden die Bilder des blauen Planeten gezeigt.

Die Apollo-8-Crew: Frank Borman (l.), James A. Lovell (m.), William A. Anders (r.).
Legende: Die Apollo-8-Crew: Frank Borman (l.), James A. Lovell (m.), William A. Anders (r.). Keystone / Stf

Die drei Astronauten konnten nicht ahnen, welche Sprengkraft ihre Schnappschüsse auf der Erde dereinst entfalten würden. Sie mussten zunächst mit der eigenen Aufregung fertig werden – sie sollten am selben Tag, an Heiligabend, zur Menschheit sprechen.

Grüsse aus dem Mondorbit

Sechs Wochen vor dem Start hatten die Astronauten erfahren, dass sie vom Mond aus die grösste Fernsehübertragung aller Zeiten bestreiten würden. Einzige Vorgabe: Es sollte etwas Angemessenes sein.

Ihre Worte? «Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde…» Abwechselnd lasen die drei Astronauten die ersten Zeilen der biblischen Schöpfunggeschichte vor.

Eine Milliarde Menschen verfolgte die Live-Übertragung an Heiligabend 1968. «Und von der Besatzung der Apollo 8: Gute Nacht. Viel Glück, fröhliche Weihnachten und Gott segne euch alle – euch alle auf der guten Erde.»

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