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Faszinierende Sonne Faszinierende Details der Sonnenatmosphäre enthüllt

Es sieht aus wie ein pinker, fluffiger Teppich, dessen Fasern gemächlich im Wind wehen. Doch der Schein trügt. Was Forschende hier zum ersten Mal so detailliert sichtbar machen, ist alles andere als gemütlich: die äusserste Schicht der Sonnenatmosphäre, die Korona.

Turbulente Protuberanz

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Das Zeitraffervideo einer Protuberanz über der Sonnenoberfläche zeigt deren schnelle, feine und turbulente Umstrukturierung. Die flauschig aussehende Oberfläche der Sonne ist von «Spicules» bedeckt, also von kurzlebigen Plasmastrahlen-Jets, deren Entstehung noch immer unklar ist. Die Streifen auf der rechten Seite dieses Bildes ist koronaler Regen, der auf die Oberfläche der Sonne fällt.

Video Credit: Schmidt et al./NJIT/NSO/AURA/NSF

Die Korona ist mehrere Millionen Grad heiss – deutlich heisser als die Sonne selbst – und äusserst dynamisch. Von ihr gehen Sonnenstürme und Massenauswürfe aus, die das Weltraumwetter massgeblich beeinflussen. Auffällige Erscheinungen in der Korona sind auch Protuberanzen: grosse, leuchtende Bögen oder Schleifen aus Plasma, die sich weit über die Sonnenoberfläche hinaus erstrecken. Manchmal lässt sich sogar eine Art Regen beobachten: Plasma, das abkühlt und wieder auf die Sonne zurückfällt.

Koronaler Regen

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Koronaler Regen entsteht, wenn sich heisseres Plasma in der Korona der Sonne abkühlt und dichter wird. Wie Regentropfen auf der Erde wird der koronale Regen durch die Schwerkraft auf die Oberfläche gezogen. Da das Plasma elektrisch geladen ist, folgt es den Magnetfeldlinien, die riesige Bögen beziehungsweise Schleifen bilden, anstatt in einer geraden Linie zu fallen. Die Regen-Stränge können schmaler als 20 Kilometer sein.

Video Credit: Schmidt et al./NJIT/NSO/AURA/NSF

Die Vorgänge in der Korona faszinieren die Wissenschaft seit Jahrzehnten und sind noch immer grösstenteils ein Rätsel. Die neue Teleskoptechnik erlaubt Strukturen jenseits des Sonnenrands mit einer Auflösung von nur 63 Kilometern abzubilden und soll eine neue Ära in der Sonnenforschung einläuten.

Das kann die Technik

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Die Korona – die äusserste Schicht der Sonnenatmosphäre, ist nur bei einer totalen Sonnenfinsternis sichtbar. Luftturbulenzen in der Erdatmosphäre  können aber Licht ablenken und verursachen so Bildunschärfen. Das behindert die Beobachtung der Korona. Wissenschafter setzen die sogenannte adaptive Optik ein, um die Unschärfen zu beseitigen.

«Adaptive Optik ist wie ein aufgemotzter Autofokus und eine optische Bildstabilisierung in Ihrer Smartphone-Kamera, die jedoch die Fehler in der Atmosphäre und nicht die zittrigen Hände des Benutzers korrigiert», sagt Nicolas Gorceix, Optikingenieur und Chefbeobachter der BBSO.

Seit Anfang der 2000er Jahre wird die adaptive Optik in grossen Sonnenteleskopen eingesetzt, um die Bilder der Sonnenoberfläche in vollem Umfang wiederherzustellen. Sie erlaubt Teleskopen, ihre theoretisch maximale Auflösung zu erreichen. Diese Systeme waren aber bisher für Beobachtungen in der Korona nicht brauchbar. Die Auflösung von Phänomenen jenseits des Sonnenrandes stagnierte bei 1.000 Kilometern oder schlechter – ein Niveau, das vor 80 Jahren erreicht wurde.

«Das neue adaptive Optiksystem für die Korona schliesst diese jahrzehntealte Lücke und liefert Bilder von koronalen Besonderheiten mit einer Auflösung von 63 Kilometern – der theoretischen Grenze des 1,6-Meter-Goode-Sonnenteleskops», sagt Thomas Rimmele. Der Cheftechnologe des National Solar Observatory NSO hat die erste einsatzfähige adaptive Optik für die Sonnenoberfläche gebaut und deren Entwicklung vorangetrieben.

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