Wir befinden uns auf dem Berg Paranal in der Atacama-Wüste in Chile. 2600 Meter über Meer. Hier stehen vier Spiegelteleskope. Jedes ist 20 Meter hoch und geschützt durch einen Rundbau. In diesen Bauten liegen die Spiegel wie riesige, flache Fruchtschalen auf einem Gewirr aus Stangen und Leitungen. Alles ist riesig hier. Und genau das spielt eine entscheidende Rolle.
«Wenn man Regen sammeln will, sammelt man mehr, wenn man ein grosses Reservoir hat, als nur ein kleines Glas. Beim Licht ist es das Gleiche. Es ist wie Regen, der von oben runterkommt. Und das versuchen wir hier zu sammeln», sagt Willy Benz, Astrophysiker an der Uni Bern.
«Espresso» analysiert Licht
Hier oben, im so genannten «Very Large Telescope» der europäischen Südsternwarte, wird das Licht der Sterne gesammelt. Dann wird das Licht in den Keller weitergeleitet zu den Instrumenten, mit denen es dann analysiert wird. Eines dieser Instrumente wurde soeben in Betrieb genommen: Es heisst «Espresso» (kurz für «Echelle SPectrograph for Rocky Exoplanet- and Stable Spectroscopic Observations»).
«Espresso» ist ein Spektrograph. Dank dem Gerät kann das Grossteleskop auch schwach leuchtende Objekte besser sichtbar machen. Verantwortlich für das Projekt ist der Schweizer Francesco Pepe, ein braungebrannter Mann mit Glatze. Zehn Jahre hat Professor Pepe an «Espresso» gearbeitet. 50 Leute aus aller Welt waren beteiligt.
«Wir möchten erdähnliche Planeten entdecken»
«Mit Espresso möchten wir erdähnliche Planeten entdecken. Also solche, die die Masse der Erde haben und von denen man sagen kann, dass sie sich in der bewohnbaren Zone befinden», erklärt Pepe.
Es darf also nicht zu heiss und nicht zu kalt sein dort, so dass Wasser, wenn es denn welches gäbe auf diesem Planeten, nicht verdampfen und nicht gefrieren würde.
Wie findet man überhaupt Planeten?
Nur: Wie findet man solche Planeten? Denn leuchten tun sie nicht – im Unterschied zu den Sternen. Die Astronomen messen hier die Wechselwirkungen, die es zwischen jedem Stern und seinen Planeten gibt. Weicht ein Stern regelmässig leicht von seinem Kurs ab, dann wissen die Forscher: da muss ein Planet im Spiel sein.
In unserem Sonnensystem ist das nicht anders: «Jupiter bewegt unsere Sonne mit einer Geschwindigkeitsänderung von etwa 50 Stundenkilometer», erklärt Pepe. Die gegenseitige Anziehungskraft bewirkt also nicht nur, dass der Riesenplanet Jupiter um die Sonne kreist – auch die Sonne wird fortwährend von ihm aus dem Gleichgewicht gebracht.
Die Anziehungskraft der Erde hingegen auf unsere Sonne ist 150 mal kleiner. Wollte man die Erde von einem anderen weit entfernten Planeten aus entdecken, bräuchte man ein wirklich sehr gutes Messinstrument – wie «Espresso».
Keine normale 100 Megapixel-Kamera
Will man ins Herz der Anlage gelangen, muss man zuerst Plastikhüllen über die Schuhe ziehen und Hauben über den Kopf. Hier darf kein bisschen Staub reinkommen, denn dieser könnte die optischen Geräte beeinträchtigen. Wir gehen durch eine Schleuse. Es ist eng hier drin. Schliesslich stehen wir vor dem «Espresso»-Spektrograph. An einem Kran, von der Decke hängt eine grosse Kamera. Drei Forscher aus Genf putzen behutsam die Linse.
Die 100 Megapixel-Kamera ist nach Tests weiter optimiert worden. Bald wird sie wieder ins Messgerät eingeführt. Die Reinigung der Linse von Hand ist eine delikate Angelegenheit. Wir gehen wieder raus, um nicht zu stören.
Das genaueste Instrument der Welt
Auch wenn Pepe immer von einer Kamera spricht: «Espresso» schiesst keine normalen Bilder. «Espresso» macht ein sogenanntes Spektrogramm, das feine Verschiebungen in den Farbtönen zeigt, wenn ein Stern seine Geschwindigkeit leicht ändert. Leicht heisst im Extremfall um nur 0.3 Kilometer pro Stunde. Das ist etwa so schnell wie eine Schildkröte, die rennt. Solche Messungen sind eine ziemliche Meisterleistung.
«Wir haben schon vorher extrem präzise Instrumente gebaut. Aber ich darf mit ein bisschen Stolz sagen, dass wir momentan die genauesten Instrumente der Welt bauen», erklärt Pepe. Trotz allem Stolz: was diese 23-Millionen-Euro-Maschine wissenschaftlich wirklich bringt, muss sich erst weisen.
Gibt es Leben da draussen?
Draussen ist es Nacht geworden. Astrophysiker Willy Benz schaut in den spektakulären Südsternhimmel. Gibt es Leben da draussen? Er glaube ja, sagt Benz. Aber sein Ziel sei es, aus diesem Glauben verlässliches Wissen zu machen:
«Man hat Jahrhunderte philosophiert über die Existenz von Leben im Universum. Sind wir allein? Jetzt ist die Zeit da, wo wir die Technologie besitzen, die es uns erlaubt diese Frage wissenschaftlich zu beantworten.» Wann es wirklich soweit ist – da wagt Benz keine Prognose.